Die Ära des Gestalters

Bürgermeister Franz Hofstetter ist abgetreten.

Er hat die Gemeinde an der Vils maßgeblich geprägt
und zu einem beliebten Zuzugsort gemacht.

04Franz Hofstetter Wasserschloss

24 Jahre, fast ein Vierteljahrhundert, hat Franz Hofstetter die Geschicke der Gemeinde Taufkirchen (Vils) geleitet. Er hat in dieser Zeit die Gemeinde so stark geprägt wie kein anderer Bürgermeister zuvor. Vor allem hat er sich dabei als Dienstleister der Bürger verstanden. Immer wieder hat er bei umfangreichen Bürgerbefragungen die Wünsche der Taufkirchener eruiert und sie dann zusammen mit dem Gemeinderat Schritt für Schritt umgesetzt. Parteipolitik spielte dabei nur eine untergeordnete Rolle. Taufkirchen (Vils) hat sich in dieser Zeit zu einer modernen 10.000 Einwohner-Gemeinde entwickelt, in der der Zuzug enorm zugenommen hat.

Taufkirchen punktet auch als Arbeitsort und mit einem breit aufgestellten, gesunden Mittelstand: Rund 3.300 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gibt es im Ort, das sind mehr als in der 15.000 Einwohner zählenden Nachbarstadt Dorfen. Und Hofstetter hinterlässt politisch ein gut bestelltes Feld: Er hat Hunderte große und kleine Projekte umgesetzt und die Infrastruktur auf den neuesten Stand gebracht. Nur Weniges ist für seinen Nachfolger derzeit noch abzuarbeiten. Der bereits geplante Neubau der Mittelschule mit Mehrzweckhalle muss noch umgesetzt werden und irgendwie muss man das Staat­liche Bauamt dazu bewegen, die von Hofstetter seit 20 Jahren vorangetriebene Ortsumfahrung umzusetzen. Dann wäre sein politisches Werk vollendet (aktueller Stand siehe Artikel Umfahrung).

04Protest B388-Umfahrung 2003
Der lange Kampf: Franz Hofstetter 2003 mit hochrangigen Vertretern aus der Politik an der Spitze einer Demonstration für eine Umfahrung der B 388.

Als Franz Hofstetter 1996 zum Bürgermeister gewählt wurde, war Taufkirchen noch ein sehr konservativer und auch rechtslastiger Ort. Er musste in die Stichwahl gehen, sein Gegenkandidat Martin Huber von den Republikanern holte fast 40 Prozent der Stimmen – ein Ergebnis, das damals bayernweit mit Kopfschütteln zur Kenntnis genommen wurde.

04Offizieller Antritt 1996
Amtsantritt 1996

Danach folgte eine Ära des Aufbruchs, die unter dem Titel „Unternehmen Columbus“ stand. Die Bürger sollten sich an einer Fragebogenaktion beteiligen, die über das Gemeindeblatt verteilt wurde. Der Rücklauf war enorm: Daraus ergaben sich mehr als 200 Einzelprojekte, die im Rahmen eines Kommunalmarketings und weiterer Bürgerbeteiligung in verschiedenen Gremien Schritt für Schritt abgearbeitet wurden.

Und es gab dabei auch noch einen weiteren positiven Neben­effekt: Wünsche, die keine kommunalpolitische Aufgabe waren, wurden ebenfalls öffentlich erörtert, so dass kreative Geschäftsleute diese Marktlücken erkannten und besetzten. So entstanden damals sehr rasch eine Buchhandlung, ein Thai-Restaurant und ein PC-Laden. Aber auch Vorschläge zum Ortsbild, zur Verbesserung des Waldbades oder die Einführung eines Bauernmarktes gingen auf dieses Projekt zurück. 2010 waren nahezu alle Projekte abgearbeitet und es kam zu einem zweiten Kommunalmarketing nach dem gleichen Muster.

Ende der 1990-er Jahre sprach Franz Hofstetter erstmals öffentlich darüber, dass man die Infrastruktur der Gemeinde für eine Einwohnerzahl von 10.000 fit machen müsse. Teile der Bürgerschaft unterstellten ihm daraufhin Größenwahn, Taufkirchen (Vils) war mit exakt 8.400 Einwohnern Ende 1998 noch alles andere als eine Zuzugsgemeinde. Doch das hat sich schneller geändert, als viele gedacht haben.

Auch bei der Städtepartnerschaft mit West Chicago, Illinois/USA, wurde an manchen Stammtischen diskutiert, ob das eine Zukunft haben könne. Vor allem ältere Gemeindebürger mit geringen Englischkenntnissen waren überzeugt, eine Partnerschaft auf so große Distanz könne nicht funktionieren.

04Partnerschaft Proklamation + Logo
Städtepartnerschaft seit 1999: Franz Hofstetter und Nancy Smith, die Vertreterin aus West Chicago, Illinois/USA, unterzeichnen die Proklamation.

Aber sie funktioniert nicht nur bis heute, sondern durch viele persönliche Kontakte ist sie so lebendig wie kaum eine andere Partnerschaft in der Region.

Ein zentrales Anliegen war für Franz Hofstetter die Familienpolitik. Er baute Kindergärten in Taufkirchen (Vils) und Moosen (Vils) und das Mehrgenerationenhaus.

04KiJuHaus2006Schellner
Vorreiterrolle: 2006 als Kinder- und Jugendhaus fertiggestellt, wurde das Modell-Projekt des Landkreises Erding 2007 als „Mehrgenerationenhaus“ in ein bundesweites Aktionsprogramm aufgenommen.

Franz Hofstetter führte auch die Schulsozialarbeit ein. Bildungspolitisch war es ein geschickter Schachzug, das neue Rathaus zu bauen und das alte Gebäude dem Landkreis für eine Realschulerweiterung zur Verfügung zu stellen.

Von den drei Gebäuden der Grund- und Mittelschule wurde eines von Grund auf saniert und erweitert, das zweite abgerissen und neu gebaut und nun muss der dritte und letzte Bau, der bereits fertig geplant ist, noch realisiert werden: Die Mittelschule mit Mehrzweckhalle – bei Kosten von knapp 35 Mio. € die größte Investition, die je in Taufkirchen (Vils) getätigt wurde.

04Grundschule Schulfest 06-2012
Eröffnung der Grundschule Taufkirchen (Vils) im Juni 2012

Erfolgreich war Franz Hofstetter auch mit seinen Kommunalunternehmen. Als drittgrößte Kommune im Landkreis war es folgerichtig, eigene Gemeindewerke zu gründen, nachdem Erding und Dorfen mit ihren Stadtwerken gute Erfahrungen gemacht hatten. Mit den Stadtwerken Erding wurde 2010 ein kompetenter Partner gefunden.

Gemeindewerke 2010 Unterschrift
Vertragsunterzeichnung, von links: Walter Huber (Stadtwerke Erding), Max Gotz (Bürgermeister Erding), Bürgermeister Franz Hofstetter, Gerhard Patermann (technischer Betriebsleiter)

Auch das Thema Umweltschutz spielte dabei eine Rolle. So wurde im Ort ein Fernwärmenetz für umweltfreundliche Wärmeversorgung aufgebaut, die seit 2012 zahlreiche Gebäude versorgt.

Umstritten war anfangs hingegen das Kommunalunternehmen Wasserschloss. Schon 1995, ein Jahr vor seinem Amtsantritt, war Franz Hofstetter als Mitglied der Initiativgruppe Pro Taufkirchen mit dabei, das Wasserschloss zu „besetzen“, nachdem es als Krankenstation des Bezirks Oberbayern aufgegeben worden war. Was damals bei den Taufkirchenern noch „Gschloß“ hieß, eine Wortschöpfung aus Schloss und geschlossen, nämlich eine geschlossene Einrichtung für Nervenkranke, sollte als historisches Kleinod für die Öffentlichkeit erhalten und zugänglich gemacht werden.

04Schloss Luftaufnahme Seeholzer 2012

Die erste Lösung war, das Schloss an den Geschäftsmann und Menschenfreund Nico Forster zu verkaufen mit der Auflage, das Schloss zu sanieren und einen Teil der Anlage der Gemeinde zur Nutzung für öffentliche Veranstaltungen zu überlassen. Mit dem tragischen Tod von Nico Forster 2010 endete diese Idee. Ein Kauf durch die Gemeinde und die weitere Sanierung und Erhaltung des Schlosses war ein Plan, für den Franz Hofstetter lange kämpfte. Aber mit einer klaren Rechnung und einem Maximum an Transparenz und Bürgerbeteiligung sowie der Einrichtung des Kommunalunternehmens Wasserschloss wurde auch dieses Projekt in trockene Tücher gebracht.

Neben dem Wasserschloss hat auch das Waldbad bei den Taufkirchener Bürgern eine große identitätsstiftende Wirkung. Das Bad wurde unter Hofstetters Amtszeit komplett saniert und der Bestand wird wohl in den kommenden Jahrzehnten gesichert sein. Zuletzt wurde das Eingangsgebäude komplett saniert und erweitert. Dabei handelt es sich nicht um ein kleines Kassenhäuschen mit Umkleiden, sondern der große Komplex enthält auch noch Räume für die DLRG, die örtlichen Schützenvereine und den Alpenverein.

04Waldbad Panorama 2017 Bodo

Hinzu kommt, dass auf dem Waldbadgelände nun auch noch ein Lehrschwimmbecken gebaut werden soll. In Zeiten, in denen nicht wenige Kommunen aus Kostengründen ihre Bäder schließen, ist das eine erstaunliche Entwicklung.

Man könnte noch viele Dinge aufzählen wie die Dorferneuerung Moosen, die Wohn- und Gewerbegebietsausweisungen in der Gemeinde, den Gemeindebus oder die Inklusion. Wesentlich ist dabei jedoch, dass Taufkirchen (Vils) nicht zu einem Schlafort geworden, sondern als lebendige Gemeinde regelrecht aufgeblüht ist. Viele Familien sind in den vergangenen Jahren nach Taufkirchen (Vils) gezogen, weil sich der Ort durch eine gute Infrastruktur mit noch bezahlbaren Baulandpreisen auszeichnet.

Dieses Aufblühen ist zu einem großen Teil Franz Hofstetters Verdienst, der dabei immer bescheiden geblieben ist. Er hätte auch das Format für einen Bundestagsabgeordneten gehabt: Die Kreis-CSU wollte ihn vor ein paar Jahren als Kandidaten für den Bundestag aufstellen, aber Hofstetter hat abgelehnt: Er bleibe lieber „ein kleiner Bauern-Bürgermeister“, sagte er damals der Presse.

Die Ära des Gestalters geht nun am 30. April 2020 zu Ende. Aber als Kreisrat und Bezirksrat wird Franz Hofstetter weitermachen und seine Ideen einbringen.

Wir bedanken uns bei Thomas Daller, Journalist der Süddeutschen Zeitung (SZ), der uns diesen Bericht zur Verfügung stellte. Der Artikel wurde in fast unveränderter Fassung am 24.01.2020 in der SZ veröffentlicht.

Sein Lebenswerk

04Broschüre 2020 TitelLebendig, quirlig und ländlich liebenswürdig – dieses Bild der Gemeinde Taufkirchen (Vils) zeichnet die Broschüre „Gut aufgestellt! 1996 bis 2020“. Hunderte Fotos und unzählige Fakten geben auf 176 Seiten einen chronologischen und bunten Überblick über die Entwicklung des Ortes in diesen 24 Jahren – der Amtszeit von Bürgermeister Franz Hofstetter. Das kostenlose Heft liegt seit Februar 2020 am Info-Point des Rathauses auf.

Der KOMPASS – eine Erfolgsgeschichte

1995, also vor einem Vierteljahrhundert, gab es im Ort eine Handvoll Personen aus dem Geschäfts- und Privatleben, die sich „Pro Taufkirchen“ nannten. Zu ihnen gehörte auch Franz Hofstetter, damals Leiter des Gemeindebauamts und Vorsitzender des Heimat- und Verschönerungsvereins. Die Gruppe wurde von manchen etwas misstrauisch beäugt; die Verfolgung rein geschäftlicher Interessen war noch der geringste Vorbehalt.

„Pro Taufkirchen“ ließ sich davon nicht beirren, im Gegenteil. Innerhalb weniger Monate wurden kulturelle und gesellschaftliche Projekte auf den Weg gebracht, wie „Advent im Schloss“oder „Jazz im Park“. Und es wurde nachgedacht über ein Kommunalmarketing und ein Amtsblatt, das nicht nur staubtrockene Bekanntmachungen enthalten sollte.

Letztere Idee wurde von Franz Hofstetter 1996, unmittelbar nach seiner Wahl zum ersten Bürgermeister, mit Leuten der ersten Stunde in die Tat umgesetzt. Das Kind erhielt einen Namen: “Kompass“ sollte das neue Mitteilungsblatt heißen. Der Name war Programm: Den Bürgern in verständlicher Form Orientierung und Informationen zu geben über die Geschehnisse in der politischen und gesellschaftlichen Gemeinde.

Mit der Realisierung wurde nicht lange gefackelt: Am 10. Juni 1996, wenige Wochen nach Amtseinführung des neuen Bürgermeisters, erschien die erste Ausgabe. Umfang 8 Seiten, Druck zweifarbig, Verteilung an alle Haushalte.

04Kompass Juni 1996-Header

Bei der Ausgestaltung wurden zahlreiche kreative Ideen verwirklicht. Eine Besonderheit war die Titelseite. Mal heiter, mal nachdenklich, aber immer lesenswert lädt sie ein, weiter zu blättern. Neben amtlichen Meldungen gibt es Mitteilungen aus dem Gemeinde-, Schul- und Sozialbereich. Einrichtungen, Vereine und Betriebe werden vorgestellt, ein Terminkalender informiert über Veranstaltungen. Das Konzept und die Aufmachung überzeugten auch Fachleute. Im Dezember 2000 erhielt der Kompass die Auszeichnung als bestes Amtsblatt Bayerns.

Und bayernweit war der Kompass 2001 vermutlich auch das erste Amtsblatt, das unter www.kompass-online.de als echte Online-Ausgabe erschien – mit Navigation, Archiv und Volltextsuche. Das Angebot wissen neben Liebhabern digitaler Medien auch manche Neubürger zu schätzen, die über das Archiv zum Beispiel ihre neue Heimat kennenlernen können.

Inzwischen hat sich der Umfang verdreifacht, die Druckausgabe umfass im Schnitt 24 Seiten, knapp die Hälfte davon ist farbig. Ein überaus positives Feedback und Umfragen, die den Kompass zu den meistgelesenen Broschüren im Gemeindebereich zählen, sind für die Kompass-Macher ein Bestätigung.

In diesem Sinne, lieber Franz: Danke für dein Vertrauen!

Das Kompass-Team