Überall und jederzeit

Man fragt sich wirklich, wie wir das Leben früher gemeistert haben. Wobei man noch nicht einmal auf Zeiten von Postkutsche oder Telegrafenämter zurückgreifen muss.

Nein, nehmen wir einfach mal jenen Teil des Industriezeitalters, als noch nicht jeder Haushalt in Deutschland ein Telefon, geschweige denn einen Fernsehapparat hatte, Elektronische Datenverarbeitung ein Fremdwort war und zu Weihnachten an Tante Berta und Onkel Hans eine Karte mit den besten Wünschen auch für das Neue Jahr geschrieben wurde, um das Porto für eine zweite Postkarte zu sparen.

Was haben wir damals eigentlich den lieben langen Tag gemacht? Denn haben Sie schon einmal die Zeit gestoppt, die Sie jeden Tag mit Telefonieren verbringen? Aus beruflichen Gründen. Um einen Kinobesuch zu organisieren. Heizöl zu bestellen. Um sich über das Ergebnis einer Elternbeiratssitzung zu informieren, zu der man nicht gehen konnte, weil ein längerer Telefonanruf dazwischenkam. Nicht zuletzt dank der Erfindung des mobilen Telefonierens kommen da einige Stunden zusammen im Monat. Bei anderen in der Woche. Oder pro Tag.

Früher ging man zum Gemüsetandler um einzukaufen und das Neueste vom Tage zu erfahren. Heute steht der Homo Mobiliensis zwischen den Regalen oder an der Kasse des Supermarktes – und telefoniert.

Dereinst gingen Menschen zum Lieblings-Italiener oder auch in ein Wirtshaus um miteinander zu ratschen. Jetzt erklärt an dem einen Tisch ein Mann mittleren Alters via Handy einer natürlich nicht sichtbaren Person, dass er gerade in einem Restaurant sei um zu essen, und dass er sich einen Insalata mista und eine Pizza vongole bestellt habe, während etwas weiter rechts eine Frau ihre Gabel zur Seite legen muss um nachzuschauen, wer da gerade eine SMS geschickt hat.

Und das ist ein weiteres Phänomen. Wissen Sie eigentlich, was SMS heißt? Aber Sie wissen, was das ist. Wenn Sie allerdings bei „WASA“ nur an Knäckebrot denken, dann sind Sie vermutlich schon etwas älter als 25. Während früher pauschal behauptet wurde, dass die Jugend einfach nicht zu verstehen sei, gibt es jetzt nämlich konkrete Nachweise dafür. Handys und dem Short Message Service der Mobilfunkanbieter sei Dank.

Da hat sich nämlich eine Sprache entwickelt, die zwar grammatikalisch keine allzu hohen Anforderungen stellt, aber für den Uneingeweihten ähnlich unbegreiflich ist wie Kisuaheli. Denn während Unwissende in stundenlanger Arbeit und leise fluchend ihre angebliche Kurzmitteilung verfassen, schreibt die Generation Handy einfach „T2UL8R“. Teilt der wartenden Freundin „StimSt“ mit oder schickt ihr ein romantisches „wdk“.

Warum wird eigentlich diese SMS-Sprache nicht in die PISA-Studie mitaufgenommen? Da könnten doch mal die gerade so sehr gestoiberten, frustrierten Ossi-Kids punkten. Und gleichzeitig wird man einen leisen Verdacht nicht los. Könnte es sein, dass wir immer mehr telefonieren und SMS und eMails hin und her schicken, aber immer weniger mit den Menschen wirklich sprechen? Weil wir sie immer weniger verstehen? Bei den SMS-Junkies heißt „EDV“ Ende der Vernunft!             pebe