Flohmarkt

Als einst viele junge Menschen noch Hosen mit Schlag trugen, Parkas aus irgendwelchen Armeebeständen sowie langes Haar, sofern sie männlichen Geschlechts waren, damals gab es für die sichtbare Abgrenzung vom Muff der Talare und von der elterlichen Einrichtung im 50-er Jahre Design nur einen Weg: zum Flohmarkt.

Nur was andere Menschen nicht mehr haben wollten, das war gerade gut genug für das WG-Zimmer im Altbau oder die etwas klamme Souterrainwohnung mit 14 Quadratmetern. Ergänzt vom Regal aus Orangenkisten. Die es natürlich auch auf Flohmärkten gab. Und außerdem gebrauchte aber wieder gerade gebogene Nägel; Nachttöpfe aus Keramik; Klamotten, die nicht nur getragen waren sondern auch noch so aussahen; Stühle mit Sitzflächen aus Korbgeflecht, das dann bald einbrach; Wandspiegel mit barocken Rahmen; Geschirr mit Blümchenmuster; Stehlampen aus der Vorkriegszeit. Weshalb es in vielen WGs fast so aussah wie bei den Eltern zu Hause.

Aber es gab noch etwas anderes, was die Menschen in Heerscharen auf die Flohmärkte trieb: ein Gerücht. Irgendjemand muss nämlich mal erzählt haben, er hätte auf einem Flohmarkt ein Bild gekauft: mit einer Frau im Profil drauf und trotzdem zwei Augen und offensichtlich gebrochener Nase. Und dann hätte sich herausgestellt, dass das ein Picasso war, der dann bei Sotheby‘s in London für 3,4 Millionen Dollar versteigert wurde.

Wer dann aber keinen Picasso fand, der konnte zumindest mit einem Plakat mit Che Guevara nach Hause gehen. Oder Bob Marley. Dass es zum Plakat mit Bob Marley kleine Tütchen dazu gab mit irgendwelchen grünen Kräutern, war allerdings auch nur ein Gerücht.

Aber was haben sich die Zeiten und die Flohmärkte geändert. Picassos sucht sowieso niemand mehr. Weil viele der Besucher eh nicht mehr wissen, wer das war. Die anderen laden ihn sich aus dem Internet runter. Und Bob Marley tritt auch nur noch auf Ü-50 Partys in Erscheinung.

Außerdem wurden die Flohmärkte immer mehr zum Tummelplatz für findige Händler und Ein-Mann-oder-Frau-Unternehmer, die ihre Ware werkseitig vom Hersteller aus dem bevorzugt asiatischen Raum mit Patina versehen lassen. Und wer sich heute – natürlich in aller Früh – im vollgeladenen Kombi und mit dem klassischen Tapeziertisch auf den Weg zu einem Flohmarkt macht, dem kann es passieren, dass er am Nachmittag, nach fünf Stunden im Regen, den Kofferraum nicht mehr zukriegt.

Weil nämlich gerade mal zwei CDs der Kinder verkauft wurden. Aber dafür – um mal wieder ein Klischee zu bedienen – die Gattin einen großen Jugendstil-Spiegel, zwei Hüte aus dem Fundus der Royals und der Gatte High-Speed Rollerskates für die Kinder erstanden haben. Dass sich zu Hause dann herausstellt, dass der Spiegelrahmen aus Sperrholz ist, in den Hüten ein Zettel eingenäht ist, auf dem Made in China steht, und die Rollen der Rollerskates nicht rollen, soll an dieser Stelle verschwiegen werden.

Aber eins sei auf jeden Fall noch gesagt: Flohmärkte sind trotzdem toll. Man trifft hier immer noch viele nette Leute, wie sonst nur auf dem Recyclinghof. Mit denen kann man sich dann wunderbar über Flohmärkte unterhalten. Zum Beispiel über jenen, wo man einmal ein Bob Marley-Plakat erstanden hat, auf dessen Rückseite wirklich ein Tütchen klebte. Dass Mottenpulver drin war, muss man ja nicht sagen.

pebe