Wir begegnen ihm täglich, und das oft sogar gleich mehrmals.
Er taucht am liebsten ungebeten auf, beeinflusst manchmal unser
Leben mehr als Schwiegermütter oder -väter. Und es wurde
noch von keinem Menschen berichtet, der ihn endgültig und
für alle Zeiten losgeworden
wäre.
Nein, es ist hier natürlich nicht von Dieter Bohlen die Rede oder
vom Benzinpreis, obwohl die einem natürlich beide auch ganz schön
den Tag versauen können. Es geht vielmehr um eines jener „Haustiere“,
die man nie wollte, aber dann doch bekam: um den „Schweinehund“.
Und hier ganz speziell um den legendären „inneren Schweinehund“.
Der schon leise vor sich hinwinselt, wenn wir morgens noch gar nicht
richtig wach sind. Und uns in das schläfrige Ohr flüstert:
Warum bleibst du heute nicht mal liegen? Blau ist doch eine schöne
Farbe!
Und wenn man ihn dann unter Aufbietung aller Kräfte überwunden
hat, also doch aufgestiegen ist, da ist dieses Mistvieh schon wieder
da. Heute lässt du Hygiene ausfallen, greint es da vor sich hin,
kannst du länger Zeitung lesen. Und so geht das dann den ganzen
Tag. „Ein Schlachten war‘s und keine Schlacht zu nennen“,
möchte man da am Abend erschöpft ausrufen, und wünscht
dem Tier Pest, Cholera und einen Gammelfleischskandal an den Hals.
Und bevor jetzt 150-prozentige Tierschützer schon mal empört
zum Telefonhörer greifen: Selbst wenn man es wirklich wollte, man
kann diesem entzückenden Lebewesen sowieso nichts anhaben. Es haucht
wahrscheinlich erst nach dem Herzstillstand seines Herbergswirtes den
letzten Atem aus, das vielleicht noch etwas länger geschlagen hätte,
wenn man schon viel früher den inneren Schweinehund überwunden
und zum Beispiel auf die geliebten Kalbshaxen verzichtet hätte.
Zumindest sprachlich soll diese Tierart, die mindestens so häufig
vorkommt, wie es Menschen auf der Erde gibt, ihren Ursprung bei den Studenten
des 19. Jahrhunderts haben. Dort war der Schweinehund ein Schimpfwort,
das wahrscheinlich auf den bei der Wildschweinjagd eingesetzten Sauhund
zurückging, sich also auf das Hetzen und Ermüden eines Opfers
bezog. Beliebt wurde der „innere Schweinehund“ dann bei den
Landsern des Ersten Weltkrieges.
Der SPD-Abgeordnete Kurt Schumacher soll dann im Reichstag den Nazis
vorgeworfen haben, sie würden an den „inneren Schweinehund“ der
Menschen appellieren, an die niedrigsten Motive. Und hat damit den Kern
der Sache schon ganz gut getroffen. Denn er steht vor allem für
Vermeidungsstrategien, wie zum Beispiel der Work-Life-Balance-Trainer
Marco von Münchhausen in seinem Standardwerk über den Schweinehund
feststellte. Wissenschaftlich definiert steht er für den Weg des
geringsten Widerstandes bei gleichzeitig größtmöglicher
Befriedigung kurzfristiger egoistischer Belange. Die so banal sein können,
dass es manchmal sogar den inneren Schweinehund zu überwinden gilt,
wenn ein simpler Mülleimer überquillt.
Mit Beispielen für den inneren Schweinehund könnte man ganze
Bibliotheken füllen, gegen die sich die etwa 50 Bücher mit
guten Ratschlägen zu dessen Überwindung natürlich geradezu
lächerlich ausnehmen. Aber vielleicht hilft es ja, wenn man mal
den inneren Schweinehund überwindet und so ein Buch liest. Herr
Münchhausen behauptet jedenfalls, man könnte sich das Tierchen
sogar zum Freund machen.
pebe