Einfach naiv

Es spricht vielleicht nicht so unbedingt für den Homo sapiens unserer Tage und in unseren Landen: Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass er ein heimliches Hobby hat, dem sonst wohl kaum ein Lebewesen auf diesem Planeten frönt. Natürlich ist dabei nicht an so was Banales wie Fußball gedacht oder das Sammeln von Pornobildern aus dem Internet. Das betrifft ja vor allem die männliche Spezies.

Hier ist von der Eigenart die Rede, sich heimlich, still und leise und im Verbund mit seinen Mitmenschen hin und wieder einmal eine kleine oder größere Katastrophe zu gönnen. Wobei nicht klar erkennbar ist, ob dieser Hang nur im Unterbewusstsein verankert ist oder sogar ganz bewusst ausgelebt wird. Ohne sich jedoch offen dazu zu bekennen.

Wie das im Einzelnen abläuft, lässt sich ganz wunderbar an einem aktuellen Beispiel aufzeigen. Da studieren also Menschen unablässig Zeitungen, Werbeblätter und Anzeigen. Immer auf der Suche nach einem Stück Fleisch oder Wurst zum Beispiel, das noch ein bisschen billiger ist als beim Metzger um die Ecke. Sie fahren sogar kilometerweit, um den einen Euro fünfzig zu sparen, den sie gerade für Benzin ausgegeben haben. Im günstigsten Falle. Und weil wir – ausgenommen vielleicht beim Benzin – eine freie Marktwirtschaft haben, die von Angebot und Nachfrage lebt, versuchen die diesbezüglichen Anbieter natürlich, sich zu unterbieten. Weshalb dann die Wiener schließlich nur noch 22 Cent kostet. Was ja natürlich noch keine Katastrophe ist.

Doch leider hat es immer Gründe, wenn etwas so billig ist. Dass zum Beispiel die armen Tiere, die man ja immer noch braucht um zu so einem Würstchen zu kommen, in riesigen Ställen zu Hunderten und Tausenden zusammengepfercht werden. Und deshalb natürlich auch nicht mehr vom eigenen Grund und Boden des Tierhalters, immer noch Bauer genannt, ernährt werden können. Also kauft er Futter. Das natürlich dann auch möglichst billig sein muss, weil sonst wieder das Ausgangsprodukt teurer würde, weshalb dann auch kein Mensch mehr mit dem Auto weite Strecken zurücklegen würde um Wiener zu kaufen …

Aber das hatten wir ja schon. Viel wesentlicher ist die Tatsache, dass nun auch der Futtermittelhersteller zwangsläufig schauen muss, dass sein Futtermittel nicht zu teuer ist. Jedenfalls kann er nicht allzu wählerisch sein mit seinen Zutaten, weshalb es dann natürlich schon mal vorkommen kann, dass da auch was drin ist, was vielleicht nicht drin sein sollte. Oder zumindest nicht so viel davon.

Und jetzt haben wir endlich unsere Katastrophe. Jetzt ist endlich der Zeitpunkt gekommen um Alarm zu schlagen. Zumindest kurzzeitig daran zu denken, von der Couch auf die Straße zu gehen. Oder wenigstens lautstark auf die Politiker zu schimpfen. Weil die wieder einmal nicht aufgepasst haben, und jetzt haben wir das Dioxin. Erst im Ei. Dann auch noch im Fleisch. In der Wiener vielleicht sogar. Also wenn das keine Katastrophe ist.

Und die Konsequenz daraus? Wir warten ganz einfach, bis alle Schuldigen gefunden sind. Was das gute Gefühl vermittelt, dass jetzt nichts mehr passieren kann. Und dann fahren wir wieder kilometerweit, um zur Abwechslung die billigsten Putenschnitzel zu kaufen und warten auf eine neue Katastrophe. So einfach ist das – oder einfach naiv …

pebe