Kleider machen Leute

Auch wenn die derzeitigen Temperaturen noch nicht
für den
endgültigen Durchbruch geeignet sind: Es ist wieder Haut angesagt.
Wie alle Jahre wieder zum Beginn der warmen Jahreszeit werden von
Vertreterinnen des schönen Geschlechts die knappen Tops aus
der Winterkiste geholt und aufgebügelt. Oder neu gekauft.
Und auch die sogenannten aber eher heimlichen Herren der Schöpfung
haben ihre Bermudas schon wieder parat.

Und wenn dann die Temperaturen
mal dementsprechend sind, tragen sie sie natürlich auch. Frauen
lassen den Bauch sehen, mitunter auch sehr viel Bein, und manchmal
und erfreulicherweise eher in
jüngeren Jahren auch jene rückwärtige Region des
Körpers, die sonst von Hosen bedeckt und jetzt bisweilen von
einem sogenannten „Arschgeweih“ verziert wird. Bevor
dem geneigten Leser an dieser Stelle ein Schrei der Entrüstung über
die Lippen kommt: Das heißt so, diese Bezeichnung für
ein rückwärtiges Tatoo hat sogar der Duden akzeptiert.

Eine ähnliche
Mode für Männer gibt es zwar noch
nicht, doch auch denen ist im Rahmen der Gleichberechtigung Gelegenheit
gegeben, blanke Beine, Arme und vor allem Bäuche zu zeigen.
Und so stellt sich auch in diesem Jahr in vielen Fällen die
Frage: Muss ich das wirklich alles sehen? Sind wir nicht ohnehin
schon übersättigt mit blanker Haut dank der Werbung,
dank einschlägiger Gazetten und des Fernsehens?

Will man mancher
Festplatte eines Computers Glauben schenken, dann scheint es diese
Art der Übersättigung zumindest für
Männer zwar nicht zu geben. Aber es gibt zumindest einen anderen
Einwand. Trotz Computerfestplatten hat nämlich eine alte Volksweisheit
– gleichzeitig Titel einer Novelle von Gottfried Keller – immer
noch Konjunktur: Kleider machen Leute.

So heißt es, und das
wird auch durch eine nette Anekdote aus der Vilsgemeinde bestätigt.
Da gab nämlich ein Lieferant
von Baumaterial einem seiner Kleidung nach vermeintlichen Bauarbeiter
ein Trinkgeld, damit der ihm hilft. Der tat das und revanchierte
sich anschließend mit der doppelten Summe, denn es war der
Bauherr persönlich und außerdem ein Arzt.

Und so möchte
man zu Bedenken geben, dass wetterbedingte Freizügigkeit
schwerwiegende Folgen haben kann, über die nicht einmal der
Arzt oder Apotheker Bescheid weiß. Durch ein übertrieben
kurzes Top oder eine zu tief gerutschte Hose können in Null
Komma Nichts siebzehn Semester Soziologie oder Deutsch als Fremdsprache
beim Teufel sein. Denn welcher von allem Argwohn freie Mensch würde
hinter einer eher durchsichtigen Bluse eine promovierte Historikerin
vermuten.

Das sind Folgen, die nicht zu unterschätzen sind
und natürlich
gleichermaßen für Männer ihre Gültigkeit haben.
Liebe Jäger und Sammler: Wenn ihr knappe Shorts, Socken und
Netzunterhemden tragt, sieht kein Mensch, dass ihr der Fahrer eines
sündteuren Automobils aus bayerischer Fertigung mit mehr als
240 PS seid. Ganz zu schweigen vom sofortigen Verschwinden jeglicher
intellektuellen Note. Also vorm Auspacken der Muskel-T-Shirts immer
dran denken: Erstens ob ihr überhaupt Muskeln habt. Zweitens
ob ihr auch wirklich Gouverneur von Kalifornien werden wollt.   pebe