Bannmeilen

Das Straßenbild hat sich verändert im neuen Jahr.
Doch es sind leider nicht die endlosen Autoschlangen, die plötzlich
verschwunden wären. Auch von den Werbetafeln der Parteien
ist nicht die Rede, die jetzt wieder die Straßen pflastern.
Eilig dahin hastende Menschen gehören ebenso weiter zum Alltag
wie Frauen mit manchmal dazu zwangsverpflichteten Männern
und Kindern beim Schaufensterbummel.

Aber nun, egal ob es stürmt oder regnet, trifft man in den Straßen
auf Menschen, die sich zu allen Tages- und Nachtzeiten zusammenrotten,
kleine Gruppen bilden. Manche stehen erst einmal vereinsamt vor einem
Haus. Aber zumeist nur für kurze Zeit. Dann gesellen sich ein oder
mehrere andere Individuen hinzu. Und stets in unmittelbarer Nähe
eines Wirtshauses, Cafés oder Restaurants.

Denn während sich einerseits und natürlich sinnvoller weise
Staatsregierung und andere Organe um die Integration von Menschen mit
Migrationshintergrund kümmern, hat es in Bayern die gleiche Staatsregierung
zu verantworten, dass es eine neue Art der Vertreibung gibt. Dass Menschen
bei Wind und Wetter ihre lieb gewordene Umgebung, nämlich ihr Stammlokal
beispielsweise, verlassen müssen. Um draußen auf der Straße
eine Zigarette rauchen zu können. Weil das Rauchen nun eben auch
in Gastronomiebetrieben verboten ist – sofern diese nicht zu einem Raucherclub
geworden sind.

Wenn der freundliche und um seine Klientel besorgte Wirt vor der Türe
vielleicht noch einen Heizpilz aufgestellt hat, dann erinnert dieses
Bild auch ein bisschen an TV-Berichte über Obdachlose oder Slums,
in denen sich hungrige und frierende Menschen ein wenig an einem Feuer
wärmen, das sie in einem Ölfass entfacht haben. Hier natürlich
auf technisch höherem Niveau und mit Menschen, die sich noch Zigaretten
leisten können – und einen Restaurant- oder Kneipenbesuch auch.

Mitleid ist trotzdem nicht ganz fehl am Platz. Gab es doch bisher schon
vor allem Männer aber auch Frauen, die zuhause wegen der Gardinen
nur auf dem Balkon rauchen durften. Und sich deshalb bisweilen ja vielleicht
auch widerwillig in die Kneipe um die Ecke flüchteten, um dem Körper
in etwas lauschigerer Umgebung das benötigte Quantum Nikotin zuführen
zu können. Und jetzt stehen sie wieder auf der Straße.

Doch es gibt noch schlimmere Bilder. So sind auf den Bahnsteigen des
Münchener Hauptbahnhofs kleine markierte Flächen abgeklebt,
auf denen – und nur auf denen – dann geraucht werden darf. Wo also die
fast schon bedauernswerten Raucher auf wenigen Quadratmetern zusammengepfercht
werden. Argwöhnisch von den umstehenden Nichtrauchern beäugt,
ob sie auch wirklich nicht die Grenzlinien überschreiten. Was dann
vielleicht weniger an Slums und Obdachlose erinnert als an den Zoo.

Doch es ist nichts so schlecht, dass es nicht auch etwas Gutes hätte.
Mit den Zwangskollektiven von Straßenrauchern kommt nämlich
immer mehr das „Smirten“ in Mode. Abgeleitet vom englischen „smoke“ und
dem Wort flirten. Rauche, wenn‘s was zum anbaggern gibt, heißt
also jetzt die Devise. Der Glimmstengel auf der Straße fördert
offensichtlich die zwischenmenschliche Kommunikation. Das Elend
schweißt
zusammen. Da überlegt sich mancher Nichtraucher schon, ob er nicht
auch zur Zigarette greifen soll. Und man fragt sich verwundert:
War es das vielleicht, was die Staatsregierung wollte?

pebe