Vorübergehend geschlossen

Wenn man über Jahrzehnte hinweg mehr oder minder
still unter einer Situation gelitten hat, so freut man sich natürlich,
wenn endlich etwas daran geändert wird – selbst dann, wenn
die Veränderung mit zeitweiligen zusätzlichen Nachteilen
verbunden ist.

Doch diese Freude teilen leider nicht alle. Wird
nämlich beispielsweise
eine Straße, die in ihrem ramponierten Zustand ein eher tristes
Bild bietet, einer Schönheitskur unterworfen, dann kann das
auch schon mal Widerstände hervorrufen. Allerdings an einer
anderen Stelle, wo man es auf Anhieb vielleicht nicht gleich vermuten
würde.

Aber zugegeben, damit ist lediglich eine alte Tradition
gewahrt. So wie jetzt ein Anflug von Entrüstung durch manche
Straßen
der Vilsgemeinde zog, als wegen der anberaumten Bauarbeiten in
der Erdinger Straße laut über Alternativen für
die ersatzweise Verkehrsführung nachgedacht wurde, so begehrt
eigentlich immer irgend jemand zu jeder passenden und unpassenden
Gelegenheit auf.

Natürlich möchten alle ehrbaren Bürger
der Gemeinde, dass dieser „Eingang“ zur guten Stube
der Vilsgemeinde etwas wohnlicher wird, einladender für die
mehr oder weniger weitgereisten Gäste. Schließlich kann
man immer wieder beobachten, dass motorisierte, aus dem Westen
kommende Besucher
beim Anblick dieser an Filme aus der düsteren Ära eines
Alexander Kluge erinnernden Kulisse nicht zu einer beschaulicheren
Fahrweise übergehen, sondern eher noch beschleunigen, als
wollten sie einer plötzlich auftauchenden Bedrohung rasch
wieder entfliehen.

Muss dann aber die Straße für die
Wellness-Kur gesperrt und der Verkehr umgeleitet werden, sehen
viele nur eine mögliche
Lösung: Dass die Kraftfahrzeuge für diese Zeit der Sperrung
natürlich irgendwo lang fahren müssen. Aber bitte nicht
vor der eigenen Tür. Denn wenn jemand Ruhe und Beschaulichkeit
braucht und eine Luft ohne Abgase, „dann bin ich das“,
schallt es aus manchem Mund. Schließlich wird ja auch schon
lange und am liebsten an den Stammtischen gefordert, dass Süchtige
und andere psychisch labile Individuen weggeschlossen gehören.
Aber bitte nach Art der Franzosen und dort wo der Pfeffer wächst,
also auf einer fernen Insel.

Auch diese ausgesprochen sensiblen
Mitbürger sind nach einem
Kneipenbesuch natürlich gerne mal ausgelassen und fröhlich,
erzählen dann vor der Tür der Gaststätte stundenlang
Witze und wünschen auf dem Weg zum Auto über hunderte
Meter hinweg noch eine gute Nacht. Aber in den eigenen vier Wänden
stört schon das nächtliche Zuschlagen einer Autotür,
was die Halsader anschwellen und auch schon mal den Ruf nach Polizei
erschallen lässt. Ja, betroffen macht eben so manches. Nur
zu den Betroffenen möchte man halt einfach nicht gehören.

Diese vielerlei Ungemach ausgesetzten Menschen bilden
zu passender Gelegenheit gern eine Allianz mit einer anderen Spezies:
Den Mahnern
und Konstrukteuren von Chaos-Szenarien, die für jede noch
so unwahrscheinliche Eventualität einen Krisenplan fordern.
Diesen beiden Gruppen kann man nur mit einer Hoffnung begegnen:
Vielleicht lässt sich ja wenigstens dieses eine Mal der Verkehr
einfach in Luft auflösen.        pebe