ZEITGENOSSEN … UND WAS DER SINN IST

Der November ist der Monat der Lebenden. Indem wir in diesen Wochen anlässlich der unterschiedlichen Gedenktage – Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag, Totensonntag – unserer Verstorbenen ge­denken, gedenken wir ihrer Leben. Meist werden es Menschen sein, mit denen wir Lebens-Zeit verbracht haben. Zeitgenossen.

Dieses Wort ist eines meiner liebsten und eines, das mich am meisten fasziniert. Mit den Zeitgenossen teilen wir das einmalige Faszinosum, dass wir mit ihnen – und nur mit ihnen – unsere kurze irdi­sche Zeit verbringen und diese gemeinsam erleben. Wie schade wäre es, wenn wir diese Menschen nicht kennten, weil sie vor uns waren oder erst nach uns kommen …? Mit ihnen gehen wir durch diese unsere Zeit. Eines Tages werden wir auseinandergehen – und ob und wo wir uns je wiedersehen, ist schon eine Frage des Glaubens.

Auf dem Friedhof frage ich mich oft, wer jene waren, die auf den Grabsteinen stehen, und von denen wir keine Vorstellung mehr haben. Haben gelebt, waren großartige Leute und Charaktere und sind vergessen …

Auch wir werden nicht mit einem allzu großen Nachruhmrechnen brauchen: schon nach 100 Jahren wird uns keiner mehr kennen (und nachweinen). Das kann ein bisserl depri­mierend sein, weil Du dich dann schnell fragen kannst, wozu das alles gut sein soll. Und die Wahrscheinlichkeit, dass spätere Generationen uns eher belächeln (bestenfalls!) als bewundern, ist recht groß.

Und doch waren die damals es und sind wir es heute: die jeweils modernsten Menschen mit den fortschrittlichsten Technologien. An ihnen lag und uns liegt es, die Welt voranzubringen, bald wird das schon die Aufgabe der nächsten Generation sein.

Worin also ist der Sinn von dem ganzen Leben und Vergessenwerden? Dass wir, die Vergangenheit betrachtend, die Gegenwart im Auge haben, weil die Zukunft uns vergessen wird. Und es ist unsere große Verantwortung, dass wir heute die Gegenwart so gestalten, dass die Menschen nach uns gut weitermachen können, aufbauend auf uns.

Aber vor allem auch, dass wir uns und unseren Mitmenschen in dieser unserer Zeit das Leben auskömmlich gestalten. Auf dass wir einst zueinander sagen können: Wir haben unsere gemeinsame Zeit genossen. _Markus Tremmel