Ausgabe 12/2019| 19. Dezember 2019
Rau(h)nächte
Was wurde nicht schon weit vor dem eigentlichen Beginn der Adventszeit auf Weihnachten hin gefiebert, vor lauter Aufregung hielt es wieder einmal kaum jemand zu Hause aus. Weshalb Heerscharen von Menschen lieber in Kaufhäuser, Supermärkte aller Art und Outlet-Center ausschwärmten.
Dabei, so will es zumindest die einschlägige Literatur wissen, kommen ja die wirklich aufregenden Tage erst danach, also wenn die Geschenke ausgepackt sind und viele Menschen mit vollem Magen am reich gedeckten Tisch mit Weihnachtsgans, Karpfen oder auch Bœuf Stroganoff sitzen. Denn in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember beginnt eine Zeit, in der einem nicht nur das Wasser im Gartenschlauch, sondern auch das Blut in den Adern gefrieren kann.
Es sind die sogenannten toten Tage, zumindest für alle, die noch nach dem germanischen Mondkalender leben, in dem das Jahr nämlich 12 Monde dauerte. Weshalb 11 bis 12 Tage fehlten, um das dann entdeckte Sonnenjahr quasi „voll“ zu machen. Tage, in denen sich, wie die Mythen behaupteten, alle bösen Mächte tummelten. Grund genug also damals, in diesen „Rauhnächten“ vorsichtshalber alles zu tun was diese vertreibt.
Zwar haben wir inzwischen genug Tage für ein ganzes Jahr, aber sich gegen böse Geister zu wappnen, das kann bei der aktuellen politischen Lage wirklich nicht schaden. Vor allem, weil es ja in diesen Rauhnächten bis zum Drei-Königs-Tag auch um die Zukunft geht. In diesen Tagen und Nächten sollen zum Beispiel auch die Weichen gestellt werden für das Wetter des kommenden Jahres. Jeder Tag soll nämlich für einen der zwölf Monate des Jahres stehen, und so wie das Wetter an diesem Tag ist, so soll es dann auch im entsprechenden Monat sein.
Und natürlich sind auch die Träume in diesen rauen Tagen von Bedeutung. Während es für unordentliche Menschen sehr beunruhigend sein dürfte, dass die bösen Geister, die in den Rauhnächten mit ihren gruseligen Masken zur wilden Jagd aufbrechen und mancherorts sogar tagsüber als Perchten umherziehen, es sich in Abfällen und Unordnung gerne gemütlich machen. Weshalb man besser alles aufräumen und in Ordnung bringen sollte. Möglichst auch Beziehungen. Und bei der Gelegenheit sollte man am besten auch gleich alles, was man sich geliehen hat, wieder zurück geben.
Auch wenn keiner so genau weiß, ob die Bezeichnung „Rauhnacht“ wirklich etwas mit dem Räuchern zu tun hat, einigermaßen unbestritten ist jedenfalls, welches Kraut gegen was gewachsen ist. Myrrhe beispielsweise sorgt für Ruhe und desinfiziert, Wacholder vertreibt nachhaltig schlechte Einflüsse. Oder doch lieber etwas Styraxharz verwenden. Das sorgt für Geborgenheit und macht für die Liebe empfänglich, riecht nach Zimt und wurde schon im antiken Griechenland eingesetzt.
Dass angeblich jemand stirbt, wenn er während der Rauhnächte Tiere sprechen hört, muss allerdings nicht so sehr beunruhigen. Wenn man Tiere sprechen hört, kann das auch einfach nur eine Folge der Silvesternacht sein.
pebe