Raus aus der Schule – rein ins Leben

Was hatten wir es doch früher gut, wir Absolventen höherer Lehranstalten! Kaum jemand hat sich wirklich den Kopf zerbrochen, wohin ihn der lange Marsch führen würde, nachdem ihm dieses ominöse Reifezeugnis ausgehändigt worden war. Erstens waren wir dereinst, also im vorigen Jahrtausend, sowieso überzeugt, dass wir schon lange vor dem Abitur reif für das Leben waren, also für langes Ausschlafen und eine eigene Bude. Eine Frage lautete: Kann ich nach dem Abitur ein Jahr nach Indien gehen oder reicht es nur für eine Europa-Durchquerung per Anhalter? An der Uni einschreiben und abhängen, das war die Devise.

Mehr als 27.000 junge Menschen haben in diesen Tagen in Bayern Abitur geschrieben. Aber nur der Name für diese Härte-Prüfung ist gleich geblieben. Zugegeben: Auch in den 60-er oder 70-er Jahren gab es Abiturienten, die schon ziemlich fest umrissene Pläne hatten: Jura zu studieren, oft auch Medizin. Sich für das Recht, für die Gesundheit der Menschen und ein Haus in der Toscana zu engagieren.

Im Regelfall verband der Abiturient aber nur zwei wesentliche Gesichtspunkte mit dieser Reifeprüfung ohne Dustin Hoffmann und dem daraus resultierenden neuen Lebensabschnitt: Endlich zu Hause ausziehen. Und nie im Leben wie unsere Eltern enden.

Welche Aussichten dagegen 2005. Auf die von PISA gepiesackten Abiturienten warten Eignungstests und Numerus clausus. Ein knallharter Wettbewerb hat das lange Ausschlafen ersetzt. Bafög ist nicht mehr die Grundlage für einen ausgiebigen Aufenthalt an den Gestaden des Mittelmeeres, sondern zum Einstieg in die Kriminalität geworden: Staatliche Unterstützung als beständige Gefahr!

Abiturienten von heute machen erst mal eine Ausbildung vor dem Studium, weil sie Angst haben, dass sie nach dem Studium nicht in einer Anwaltskanzlei oder in der Forschung landen, sondern bei Hartz IV. Menschliche Psyche ist zwar trickreich, weshalb der höhere Schulabschluss noch immer eine leichte Euphorie auslöst. Aber die ist nur eine Notlösung, um nicht gleich ganz depressiv zu werden, was man sich als angehender Student wegen der Stundensätze von Therapeuten sowieso nicht leisten kann.

Nichts mehr da von der Aufbruchstimmung der 68-er Jahre, also auch keine Aussicht, Außenminister oder zumindest gut dotierter Abgeordneter des Europaparlaments zu werden. Aus der Null-Bock-Generation früherer Jahre ist die Kaum-Chancen-Kaste unserer Tage geworden. Das Abitur als Ausgangsbasis für leichte Endzeitstimmung.

Ach, was hatten wir es früher gut! Mit dem Abitur in der Tasche, mit Parka und Rucksack konnten wir losziehen, um den Muff von tausend Jahren aus Talaren herauszuschütteln. Heute braucht der Abiturient ein Bluetooth-Handy, Mini Cooper und, wenn es denn schon sein muss, einen Eastpack, um den Einstieg für eine Ausbildung zu finden, an deren Ende man das alles vielleicht bezahlen kann. Und muss sich dann noch anhören, dass er für den globalen Wettbewerb nicht ausreichend gerüstet ist.

Abiturienten gehen jetzt nach Indien, um ein Informatik-Praktikum zu machen. Während wir Indienfahrer von damals im Idealfall vor unseren Doppelhaushälften am Grill sitzen und wieder einmal von jenem mystischen Abend mit dem erhabenen Baghwan schwärmen, der unser Leben verändert hat – damals.       pebe