Hellsehen und Schwarzmalen

Wenn es etwas gibt, was die Menschen immer wieder und ganz besonders zu einem Jahreswechsel in Unruhe versetzt, dann ist es das große Fragezeichen, das nur allzu oft hinter dem Wort Zukunft steht. Nicht genug, dass man nun auch nicht gerade einen zufrieden stellenden Überblick über das hat, was gegenwärtig geschieht. Und ganz zu schweigen davon, dass man oft ebenso wenig immer verstanden hat, was in der Vergangenheit passierte.

Am meisten beunruhigt uns jedoch alle, was morgen oder übermorgen auf uns zukommen kann und könnte. Weshalb sehr früh und sogar schon in den Anfängen der Menschheit Angehörige unserer Spezies eine Geschäftsidee entwickelten. Sie wurden Hellseherinnen und Hellseher. Was sich erstaunlicherweise und trotz der vielen Besserwisser in den sogenannten sozialen Medien offensichtlich bis heute als gute Berufswahl erweist.

Jedenfalls bieten, zugegebenermaßen nicht ganz uneigennützig und zum Beispiel auch im Internet, viele Menschen ihre Dienste an. Sie versprechen einen „sternenklaren“ Blick in die Zukunft, „hohe Trefferquoten“ oder „Antworten auf all Ihre Fragen“. Wie allerdings zu vermuten ist, wohl ohne jegliche Garantie- und Gewährleistung. Obwohl sich doch manche Prognose durchaus als mehr oder weniger realitätsnah heraus gestellt hat.

Man denke nur einmal an die Prophezeiungen der blinden bulgarischen Seherin Baba Vanga. Sie soll schon 1989 davor gewarnt haben, dass die USA „von zwei stählernen Vögeln“ angegriffen würden. Was ja durchaus ein Hinweis auf den Terroranschlag vom 11. September 2001 gewesen sein kann. Dass sie kurz vor ihrem Tod auch noch einen islamistischen Krieg und den Untergang Europas vorher sah, sollte hier hingegen wohl besser nicht erwähnt werden. Nachdem sie das für das Jahr 2016 prophezeite, könnte das schließlich dem einen oder anderen die Silvester-Laune verderben.

Da sprechen wir doch lieber über andere Schwarzmalerei und die französische Seherin Marie-Anne Lenormand, die zu Zeiten der französischen Revolution den gewaltsamen Tod von Robespierre und Marat vorher sagte. Was sie allerdings nicht vorhergesehen hatte, dass sie deswegen des Hochverrats und der Hexerei beschuldigt werden würde.

Aber nachdem ja auch schon etliche Weltuntergänge nicht eingetroffen sind, sollte man sich vielleicht beim Blick in die Zukunft sowieso eher auf Fragen des persönlichen Lebens und Alltags beschränken. Also zum Beispiel auf die Frage, ob sich so langsam der Anbau von Ananas rentiert. Wann es endlich die B388-Umgehung geben wird. Ob der Fußball-Rekordmeister FCB in die Zweite Liga absteigt. Und wahrscheinlich an erster Stelle: Wird 2016 endlich mal jemand morgens diese verdammte Zahnpasta-Tube zumachen?

Die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen mit hellseherischen Fähigkeiten auf solche Fragen eine verbindliche Antwort wissen, dürfte jedenfalls relativ groß sein. Und in einer Angelegenheit traut sich sogar der Verfasser dieser Zeilen eine Prognose zu. Er prophezeit, dass am Neujahrstag sehr viele Menschen leichte Probleme nach dem Aufstehen haben und sich für 2016 vornehmen werden, nicht mehr so tief ins Glas zu gucken.

In diesem Sinne: „Prosit Neujahr!“

pebe