Diäten

Der Blick aus dem Fenster lässt zwar noch nicht unbedingt daran denken. Aber offensichtlich gibt es eine innere Uhr, die zumindest dem Menschen westlicher Hemisphäre und vor allem dem „homo feriae“ sagt, dass es wieder mal an der Zeit ist.

Also werden die Waagen aus den hintersten Winkeln der Badezimmer hervorgeholt. Schreie oder auch nur ein dumpfes Stöhnen dringen sodann durch das Haus. Es werden Bermudashorts anprobiert, Bikinis, Hawaii-Hemden und trägerlose Tops. Und das Ergebnis ist fast immer das gleiche: Es passt nichts mehr.

Eine Schlussfolgerung daraus wäre natürlich, sich einfach neue Klamotten für den Sommer zu kaufen. Aber erstens ist das doch ein wenig unökonomisch in Zeiten von Hartz IV, leeren Kassen bei den Kommunen und Supergewinnen vor Steuern der Konzerne. Und außerdem gibt es da ja auch noch den Ehrgeiz.

Also sucht man Rat in Sachen Abnehmen. An Angeboten herrscht jedenfalls kein Mangel: Da verspricht „Die GLYX-Diät“ ein „Abnehmen mit Glücksgefühl“ und weit über 1.000 andere Werke tun ähnliches. „Weg mit dem Winterspeck“ lautet die Devise, weshalb Apotheken „Reduform Figur Diät“ oder „Modifast Drink Vanille“ anbieten. Und bei all dem ist eines garantiert: Obwohl man kein Gramm verliert, nimmt manches Bankkonto beachtlich zu.

Aber es gibt einen weiteren Beleg, dass man durch Diäten eher zunimmt. Es gibt nämlich eine Spezies Mensch, die davon lebt. Diese Personen machen keine Diäten, sondern beziehen sie. Und wollen damit auch nicht abnehmen. Mitunter scheint eher das ganze Gegenteil der Fall zu sein. Schließlich hat so mancher Politiker in Land- oder Bundestag oder in anderen Ämtern und Würden Außenmaße, mit denen er sich noch nicht einmal hinter einem ehemaligen Manager von Bayer Leverkusen verstecken könnte.

Dass Diäten nur Freude machen, wenn man nicht dabei abnimmt, ist ausgesprochen paradox. Denn außer für den eben erwähnten Personenkreis ist für die meisten der Begriff „Diäten“ doch sehr negativ besetzt. Wer einfach nur an Gewicht verlieren will, auf den warten Schweiß, Mühsal und Depressionen. Geschabte Karotten und vereinsamte Salatblätter auf großen Tellern, mit Kresse garniert. Heimliche nächtliche Ausflüge zum Kühlschrank und anschließende Schlaflosigkeit wegen des schlechten Gewissens.

Haben Diäten keine dicken Bankkonten zur Folge, so rufen sie leicht Neid hervor, mitunter blanken Hass. Auf all jene nämlich, die uns tagtäglich von Hochglanzseiten und auf Bildschirmen und Leinwänden hämisch angrinsen und mit ihren Blicken sagen: Schau‘ mich an, was für einen makellosen Körper ich habe. Kein Gramm zu viel. Wo du deine Speckwülste hast, da trage ich einen Six-Pack. Für meinen Hintern, so sagen diese hinterhältigen Gesichter, ist ein String-Tanga groß genug.

Und das sind dann oft die Momente, in denen man sich seiner Verantwortung bewusst wird. Und, um die heimische Wirtschaft anzukurbeln, dann doch neue Klamotten für den Sommer kauft. pebe