Alle Jahre wieder

Es ist eigentlich immer die gleiche Prozedur. Erst singen die
Menschen, dass alle Jahre wieder das Christuskind käme. Dann
ist das Fest mit seinem nicht immer erfüllbaren Harmonieanspruch
vorbei, die Weihnachtsgans liegt noch schwer im Bauch. Jetzt ist
wie all die Jahre zuvor der Zeitpunkt für die guten und meistens
auch alten Vorsätze
gekommen.

Nun ist der Wunsch nach etwas positiver Veränderung im Leben ja
mehr als legitim. Also wäre alles bestens. Wenn es da nicht ein
kleines Problem gäbe. Der Mensch unserer Tage hat nämlich so
viel im Kopf, dass er leicht mal was vergisst. Hat er sich beispielsweise
am Neujahrstag fest vorgenommen, im gerade begonnenen Jahr stets die
Zahnpastatube zu verschließen, weil offene Tuben den mehr oder
weniger angetrauten Lebenspartner nerven, so kann es einfach passieren,
dass er am nächsten Morgen mit seinen Gedanken schon beim geplanten
Skiausflug ist. Und natürlich prompt vergisst, die Tube zuzumachen.
Oder erst dran denkt, wenn er schon längst auf den Skiern steht.

Es ist kein böser Wille. Schuld ist vor allem die Reizüberflutung,
mit der wir alle zu kämpfen haben. Schuld ist auch die Tatsache,
dass der Mensch ein Gewohnheitstier ist. Globale Erwärmung hin oder
her: Er bleibt seiner Automarke treu. Gewichtsprobleme gut und schön.
Aber erstens macht Speck gemütlich. Und zweitens ging es ja letztes
Jahr auch noch mit dem Gürtel auf dem letzten Loch. Und um zur Zahnpasta
zurückzukommen: Weggelaufen ist sie deswegen ja auch noch nie, die
Gattin.

Bleibt also die Frage, warum sich der Mensch dann überhaupt mit
guten Vorsätzen plagt. Und warum gerade zum Jahreswechsel? Die Antwort
darauf ist so banal wie ernüchternd. Gute Vorsätze kommen gerade
recht zu einem zumindest kalendarischen Neustart. Sie sind Viagra für
das angeknackste Selbstbewusstsein. Sie sind Valium für das schlechte
Gewissen. Und sie sind gut fürs Image, bringen Bewunderung. Besonders
wenn die Umsetzung nicht weiter verfolgt werden kann.

Sollten sie tatsächlich in Rauch aufgehen wie die Silvesterkracher,
kann man sich mal wieder mit einem Zitat trösten. Dass nämlich
der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert ist. Und
wer möchte schon gerne das Gefühl haben, auf dem Weg zur Hölle
zu sein.

pebe