Statistik

Rein statistisch gesehen müssten sich eigentlich derzeit
viele Auto fahrende Damen des morgens beim Eiskratzen die Fingernägel
ruinieren. Und die Herren der Schöpfung bereits einen deutlichen
Muskelzuwachs verzeichnen, aufgrund exzessiven und andauernden
Schneeschippens. Stattdessen haben Frauen bereits aus einschlägigen
Katalogen größere
Kontingente sommerlicher Bekleidung geordert. Und athletische Männerkörper
waren zwar bei der Handball-WM im Fernsehen zu sehen, sind aber
nach wie vor eine Seltenheit auf der heimischen Couch vor dem TV-Apparat.

Dieser Winter hat sich einfach wieder einmal nicht an die Statistik
gehalten. Statt einer mittleren Temperatur von 1,9 Grad gab es die reinsten
Frühlingstage. Statt Schnee fiel Regen und mancher Baum gab nicht
unter der Schneelast nach, sondern fiel wegen Sturm Kyrill um.

Es gibt natürlich eigens ein Bundesamt, das beispielsweise mit
Statistiken belegt, wie groß ein durchschnittlicher Haushalt in
unserem Land zu sein hat, oder dass es in jeder Familie 1,2 Kinder gäbe.
Was zwar von Jahr zu Jahr etwas schwanken kann, aber jedes Mal aufs neue
die bange Frage aufwirft, ob denn das Vierteln oder Achteln von Kindern überhaupt
erlaubt ist.

Und dank der Statistiken wissen wir auch, dass es nicht nur gefühlte
Temperaturen, sondern auch eine nur gefühlte Verteuerung der Lebenshaltungskosten
gibt. Doch während bei den Temperaturen ein Blick auf‘s Thermometer
den Bezug zur zahlenmäßigen Realität wieder herstellen
kann, gelingt dies im Falle Teuerungsrate eher weniger, da der Blick
ins Portemonnaie vor allem Leere zeigt.

„Ich glaube nur Statistiken, die ich selbst gefälscht habe“,
hat verbürgtermaßen der britische Staatsmann und Nobelpreisträger
Winston Churchill gesagt. Manchmal scheint allerdings sogar das unangebracht.
Oder wie es ein deutscher Politiker einmal etwas drastisch, aber sehr
zutreffend beschrieben hat: „Wenn Sie mit den Füßen
im kalten Eiswasser stehen und mit dem nackten Hintern auf der heißen
Herdplatte sitzen, dann haben Sie im statistischen Mittel eine angenehme
Körpertemperatur.“

Wenig verwunderlich also, dass insbesondere Politiker aber auch Wirtschaftsbosse
viel und gerne auf Statistiken verweisen, wenn sie was im Schilde führen.
Da kann dann schon auch mal in Hochglanzbroschüren statistisch belegt
werden, dass aufgrund stetig steigenden Aufkommens eigentlich ein Großteil
der Bevölkerung in Zukunft gerne mit einem Transrapid zu einem Flughafen
fahren würde, weil es Geschäfts- und Urlaubsreisenden auf die
Minute ankommt, obwohl sie dann später an den Schaltern oft Stunden
stehen.

„Die Statistik ist für den Politiker, was für den Betrunkenen
der Laternenpfahl ist: Sie dient weniger zur Erleuchtung, sondern mehr
zum festhalten.“ Diesen erhellenden Satz hat eine Bundestagsabgeordnete
schon vor mehr als zehn Jahren gesagt, und die muss es ja wissen.

Doch das alles ficht den Menschen scheinbar nicht an. Wie sonst käme
es dazu, dass zweimal in der Woche Millionen von Menschen ihr gutes Geld
dem Staat anvertrauen – in der statistisch begründeten Hoffnung,
einen Millionengewinn zu machen. Eins zu 14 Millionen steht in etwa die
Chance, sechs Richtige auf dem Lottoschein zu haben und damit zumindest
schon mal die Aussicht auf einen Gewinn im sechsstelligen Bereich. Doch
sogar hier versagt die Statistik. Abzählen allein genügt halt
nicht. Da fällt eher noch ein Marmeladebrot auf die nicht bestrichene
Seite.

pebe