Wo fahr’ma hin?

Sieht man es einmal nüchtern, dann hat man das berechtigte Gefühl, es mindestens mit einem gordischen Knoten zu tun zu haben. Und es wird noch extremer, wenn man das Unmögliche möglich und mit der ganzen Familie Urlaub machen will.

Nehmen wir eine durchschnittliche deutsche Familie mit zwei Erwachsenen und 1,3 Kindern, so gibt es mindestens sieben Meinungen und circa 23 bevorzugte Urlaubsziele. Und da geht es erst einmal um die Topographie. Also um die Frage, ob Berge, Meer, Stadt, Land oder Fluss oder vielleicht doch lieber ins Ausland. Wo es übrigens auch Meer, Stadt, Land und Fluss gibt.

Was zu der Erkenntnis führt, dass Kriterien her müssen, weil sonst der Urlaub rum ist, bevor eine Entscheidung gefallen ist. Und da kann der Nachwuchs helfen, denn nicht wenige Kinder möchten sowieso am liebsten dort hin, wo schon ein Klassenkamerad oder die allerbeste Freundin waren. Also auf die Bahamas, nach Hongkong oder Los Angeles. Denn offensichtlich haben die Eltern von Klassenkameraden und aller­besten Freundinnen keine finanziellen Probleme. Und müssen deshalb auch nicht schon im Spätsommer des Vorjahres nach Urlaubs-Schnäppchen mit Frühbucher-Rabatt suchen.

Was einerseits bei erfolgreicher Suche den Vorteil hat, dass man sich fast ein Jahr lang auf vier Wochen im All-inklusiv-Resort-und-Wellness-Hotel freuen kann. Mitunter führt es allerdings auch dazu, dass man im Verlauf des Jahres von einer Kakerlake erfährt, die auch dort wohnen soll, von einem leicht verölten Strand direkt vor der Hotel-Tür oder einer Baustelle direkt daneben, auf der es ähnlich rasch vorangeht wie bei einem Berliner Flughafen oder einem Stuttgarter Bahnhof.

Doch zum Glück gibt es ja noch die Alternative Last-Minute-Angebot. Die dann nicht selten den Effekt hat, dass man in einer Region der Erde landet, wo man nie gedacht hätte, dass man da einmal hin möchte. Die Mongolei zum Beispiel, die Falklandinseln oder Rügen vor den Toren Stralsunds. Wo man also zu einem Abenteuer-Urlaub kommt, ohne den sonst üblichen Aufschlag für derartige Unternehmungen zahlen zu müssen. Andererseits aber nicht so genau weiß, ob einem der vertraute Strand von Jesolo nicht doch lieber wäre.

Und spätestens wenn sich Erholungsbedürftige mit solchen Gedankenspielen rumschlagen, taucht in den endlosen Diskussionen und Gesprächen ein Satz auf, der erst einmal eine leichte Schamesröte ins Gesicht treibt. „Wie wäre es denn“, fragt dann vielleicht der inzwischen schon leicht genervte Vater, „wenn wir einfach wieder nach XYZ fahren? War doch gar nicht so schlecht. Und wir hatten diese kleine Pizzeria direkt um die Ecke“. Wobei ihm aber sofort klar wird, dass er da noch mehr bieten muss, wenn es dieser Vorschlag auch nur ansatzweise schaffen will, in die Diskussion mit einbezogen zu werden.

Weshalb dann vielleicht nur noch der diskrete Hinweis auf das Paris-Abkommen helfen kann, auf ökologische Fußabdrücke und die Welt von Morgen. Wie sehr der Planet unter dem Tourismus-Wahn leidet. Weil bald alle in die Ferne reisen, wo das im August etwas verwaiste Freibad doch so nahe liegt.

Und bei der Vorstellung, deshalb zu Hause bleiben zu müssen, erscheint der Urlaubsort vom letzten Jahr gar nicht mehr so abwegig.

pebe