Von Bäumen im Mai

Auch wenn gängiges Liedgut, basierend auf einem Gedicht aus dem 19. Jahrhundert, behauptet, dass der Mai vor allem dadurch geprägt sei, dass die Bäume ausschlagen würden, das eigentliche Ereignis sind zumindest in bayerischen Landen jene Bäume, die vielerorts aufgestellt werden. Sinnvollerweise am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, denn so ein Maibaum-Aufstellen kann ganz schön schweißtreibend sein, ist oft richtig harte Arbeit. Die allerdings schon weit im Vorfeld beginnt.

Dabei ist noch nicht einmal so sehr an das Schlagen der hierfür notwendigen Bäume gedacht, die es mitunter auf stattliche 30 Meter und mehr an Länge respektive Höhe bringen. Schließlich wird in unseren Tagen kaum noch mit der Axt Hand an einen Baum gelegt. Und auch der Transport findet ja zumeist auf motorgetriebenen Fahrzeugen statt.

Es ist vielmehr ein alter Brauch, der nachhaltig an den Kräften der Beteiligten zehren kann. Denn zwangsläufig gehört zum Maibaum, dass junge, mutige Burschen versuchen, den Maibaum des benachbarten oder auch durchaus etwas weiter entfernten Dorfes oder Städtchens zu entwenden.

Nachdem die Bäume mitunter schon Wochen zuvor gefällt werden, müssen sie natürlich bewacht werden. Weshalb sich Menschen in Bayern und anderswo nicht nur wegen des Oktoberfestes oder wegen einer Fußball-Europa- oder Weltmeisterschaft Urlaub nehmen, sondern auch für die Bewachung eines Maibaums.

Besonders neuralgisch sind dabei natürlich die Nächte, weshalb der Maibaum auch eine ganz besondere Bedeutung für soziologische Entwicklungen im Leben junger Menschen hat. Schließlich ist das Maibaum-Aufstellen wie die damit einhergehende Bewachung von Maibäumen so fest und insbesondere in der bayerischen Tradition verankert, dass es Eltern unmöglich ist, zum Beispiel ihre halbwüchsigen Töchter daran zu hindern, ihren Teil zu dieser Tradition beizutragen. Nämlich in den bisweilen noch klammen Nächten die mutigen Burschen bei Laune und trotz ausgiebigen Alkoholkonsums wach zu halten.

Und selbst wenn, wie oft gehandhabt, die örtliche Gruppe der Katholischen Landjugend diese wichtige Aufgabe übernimmt, ist nicht unbedingt gewährleistet, dass deswegen die nächtlichen Aktionen nicht auch dazu dienen, erste zarte Bande zwischen den Geschlechtern zu knüpfen, wie sie ja auch in dem einen oder anderen Lied oder Gedicht über den Mai thematisiert werden.

Weshalb manche Soziologen die vielleicht etwas gewagte Behauptung aufstellen, dass bei einem Verbot des Maibaum-Aufstellens, wie zum Beispiel einst durch den „Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis“ im 18. Jahrhundert ausgesprochen, ganze Dörfer auszusterben oder zu veröden drohten, da nicht mehr ausreichend für Nachwuchs bzw. junge Familien gesorgt wäre.

Dass dieser Brauch allerdings auch für die Psychologie interessante Aspekte aufweist, ist hingegen unbestritten. Wird doch der Maibaum verdächtig oft und trotz Bewachung entwendet. Weshalb er durch Zahlung eines Lösegeldes in Form von Bier und Brotzeit zurückgeholt werden muss, die dann gemeinsam von allen Beteiligten konsumiert werden. Wohl nirgendwo besser als hier lassen sich also die Arbeitsweisen des menschlichen Unterbewusstseins erforschen.

pebe