Freiluftveranstaltungen

Die Zahlen schwanken. Die Einen sagen, dass es eine halbe Million Menschen gewesen wäre, andere Quellen sprechen von „nur“ 300.000. Wie viele es auch immer waren, das Open Air-Festival in Woodstock im Jahr 1969 ist ein Phänomen.

Denn schließlich waren die Verhältnisse chaotisch, da eigentlich nur 50.000 Besucher erwartet worden waren, mancher Künstler außerdem so zugedröhnt war, dass er seinen Text vergaß, andere hatten keine Instrumente dabei. Und sintflutartige Regenfälle sind ja auch nicht gerade ein Gute-Laune-Macher.

Trotzdem blieb das Woodstock Open Air-Festival friedlich, wurde deshalb auch Symbol für Freiluftveranstaltungen und „Love and Peace“. Nur Pete Townsend von der Band The Who soll etwas aus der Rolle gefallen sein und Roger Daltrey in den Hintern getreten haben.

Erfunden wurde Open Air allerdings nicht erst in Woodstock. Schließlich gab man ja schon im alten Griechenland oder im nicht ganz so alten Rom den Menschen Gelegenheit, sich unter freiem Himmel unterhalten zu lassen. In Hellas ganz gerne mal mit Theater, bei den Römern bevorzugte man Gladiatorenkämpfe.

Ein Open Air ist eben auch dem Wandel der Zeit unterzogen, weshalb zum Beispiel Rock im Park oder ein Taubertal-Festival auch nicht mehr das sind, was sie früher einmal waren. Man kann sich nämlich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Musik nicht mehr so ganz im Vordergrund steht.

Dafür wird aber umso mehr Party gemacht, was sich leicht an den zurückbleibenden Bergen von Flaschen und Dosen ablesen lässt. Nur Wacken im sonst ja eher als steif verschrienen Schleswig Holstein ist geblieben, was es schon immer war, nämlich ein Mekka für trinkfeste Heavy-Metal-Fans.

Andererseits hat inzwischen ja sogar die Klassik das Open Air-Feeling entdeckt, pilgern ganze Symphonieorchester von den Konzertsälen gerne mal zwischen irgendwelche historische Mauern oder auf große Plätze, natürlich mit ebenfalls architektonisch geschichtsträchtigem Hintergrund. Weshalb dann auch schon mal betuchte Damen und Herren in Plastikumhängen auf harten Stühlen sitzen, weil das Wetter auch vor Opern und höheren Eintrittspreisen nicht halt macht.

Aber wie weit wir heutzutage wirklich von Woodstock entfernt sind, das ja damals auch eine Demonstration gegen den Krieg in Vietnam war, das zeigt eine Zeiterscheinung, die mit einem klassischen Open Air nur noch die mehr oder minder frische Luft gemeinsam hat. Und außerdem auch einen eigenen Namen bekommen hat: Das Public Viewing nämlich.

Was auf Deutsch nichts anderes heißt, als dass der Fernseher um einiges größer ist als zu Hause, und man außerdem nicht nur mit ein paar Freunden das Fußballspiel anschaut sondern gleich mit 50.000 Gleichgesinnten und mehr. Wie zum Beispiel beim Champions League-Finale in München in diesem Jahr.

Und damit kommen wir dem Phänomen, dem offensichtlichen Reiz des Open Air für die Menschheit schon ein bisschen näher. Es geht gar nicht so sehr um die frische Luft, wie man glauben könnte. Was den Reiz ausmacht, das ist einfach, mit vielen anderen das Gleiche zu erleben. Und weil ins Wohnzimmer meistens nicht mehr als 10 oder 20 Leute reinpassen, muss man halt raus ins Freie. So einfach ist das.

pebe