Wenn die Sterne günstig stehen

Soll ich oder soll ich nicht? Nein, es geht nicht um den Gang
zur Wahlurne. Obwohl auch hier der eine oder andere vielleicht
nach Entscheidungshilfen sucht.

Im alten Rom waren die Auguren die erste Adresse. Wollte beispielsweise
einer der Cäsaren über den Rubicon, um die Germanen mal wieder
zur Räson zu bringen, so steckte ein hauptamtlich angestellter Deuter
mit dem so genannten Krummstab ein bestimmtes Areal ab. Sagte, wo rechts
und links ist und schaute sich dann an, ob die Himmelszeichen Zustimmung
oder Ablehnung signalisierten.

Der aufgeklärte Mensch des 21. Jahrhunderts hingegen, der wissen
will, ob jetzt vielleicht gerade ein günstiger Zeitpunkt für
eine außerplanmäßige Gehaltserhöhung ist, hat die
verschiedensten Möglichkeiten, sich hierzu fundierten Rat zu holen.
Er kann beispielsweise seinem Chef sagen, dass er an diesem Tag etwas
später kommen wird. Weil er das allmorgendliche Horoskop eines Verkehrsfunksenders
hören will, das aber leider erst nach 9 Uhr kommt. Oder er macht
sich die Mühe und steht ein wenig früher auf, um sich beim
Bäcker neben Semmeln auch eine Zeitung zu kaufen, in der nicht nur
große, leicht lesbare Buchstaben und mindestens ein weiblicher
Nackedei zu finden sind, sondern auch das Tageshoroskop.

Für den Aspekt Job/Geld heißt es dann dort: „Verhandlungen
mit Vorgesetzten und Behörden entwickeln sich ganz in Ihrem Sinne.“ Mit
der kleinen Einschränkung, dass dies leider nur für Wassermänner
gilt. Da hilft es einem Skorpion natürlich auch nicht sehr viel
weiter, dass an diesem Tag ganz allgemein ein „harmonischer Mond-Uranus-Einfluss“ herrscht.

Zu allen Zeiten und in fast allen Kulturen suchten und suchen Menschen
nach Entscheidungshilfen, nach einem Beistand auf dem schweren und holprigen
Lebensweg. Und da können wir einmal mehr von einem veritablen Fortschritt
sprechen. War es früher vor allem den wohlhabenden oder staatstragenden
Bevölkerungsschichten vorbehalten, ein Horoskop in Auftrag geben
zu können, so hat sich zumindest in diesem Bereich eine Grundidee
des guten alten Karl Marx realisiert: Horoskope sind jetzt für alle
da.

Nämlich in Zeitungen, Illustrierten, im Rundfunk, und natürlich
auch im Internet. Oder für passionierte Heimwerker als „Astrologie-Set
für Jedermann“ im Buchhandel. Und wenn beispielsweise ein
gerade zurückgetretener Wirtschaftsboss sein Horoskop rechtzeitig
und vielleicht auch regelmäßig gelesen hätte, dann hätte
er jetzt vielleicht ein Steuerproblem weniger.

Eines sei hier allerdings ebenfalls nicht verschwiegen. Es kann unter
Umständen schon mal vorkommen, dass etwas nicht ganz so eintritt,
wie es die Sterne respektive ihre Deuter vorhergesehen haben. Aber da
hat der oder die Betreffende dann zumeist selber Schuld. Da haben dann
sie oder er einfach das falsche Horoskop gelesen.

Denn während unserem Wassermann in der Großbuchstaben-Zeitung
beste Voraussetzungen für ein Gespräch mit dem Chef attestiert
werden, sieht es diesbezüglich für ihn in einem Internet-Horoskop
ein bisschen anders aus. Dort wird gewarnt, dass dem Wassermann die „etwas überhebliche
Art sehr übel“ genommen werden könnte. „Wenn Sie
nicht aufpassen, stehen Sie bald allein auf weiter Front“, heißt
es da.

Deshalb eine Empfehlung: Einfach abwarten, bis das Horoskop sagt, was
Sie sowieso schon gewusst haben.

pebe