Es war einmal …

… eine Zeit, da wurden eines Samstags Ende November Tannenzweige
geschnitten, ein Kranz daraus geflochten, vier Kerzen darauf
gesetzt. Von den Kindern vielleicht noch zwei oder drei Strohsterne
gebastelt, eine Walnuss mit Goldfarbe überzogen. Der erste
Advent stand vor der Tür.

Heutzutage fährt mancher Familienvater
schon Ende Oktober zum Baumarkt. Und am besten gleich mit dem
Anhänger. Schließlich
passt ein Elch aus Draht mit eingearbeiteter Lichterkette, einer
Schulterhöhe von 125 Zentimetern und einem Schlitten hintendran
nicht in jeden Kofferraum.

Niemand erinnert sich, wie und wann es
angefangen hat. Doch es gibt Anhaltspunkte. Ein Film könnte
der Auslöser gewesen
sein, könnte den Virus übertragen haben, der dann immer
größere Teile der Bevölkerung befiel und den
Baumärkten
und Herstellern von weihnachtlichen Glühartikeln nun himmlische
Umsätze beschert.

Eine schöne Bescherung versprach dieser
amerikanische Film mit Chevy Chase aus dem Jahre 1989 schon im
Titel. Und dass der Filmheld zur Weihnachtszeit aus seinem Einfamilienhaus
mit geschätzten
2 Millionen Glühbirnen eine Lichtquelle machte, die auch
noch auf dem Mars mit dem bloßen Auge zu erkennen war und
außerdem
nach nicht ganz einer Sekunde einen ganzen Stadtteil in Dunkelheit
versinken ließ, das muss großen Eindruck auf deutsche
Männer gemacht haben.

Und sie greifen zu immer schwererem
Geschütz. Installieren
kilometerlange Lichterketten. Blinkend oder als Lauflicht. Laserkanonen
werden zwar noch selten bei der weihnachtlichen Illuminierung
von Häusern und Vorgärten eingesetzt, ansonsten wird
mancherorts alles auf Dächer, Gartenzäune, Dachrinnen
oder um Fenster drapiert, was der Markt und das Stromnetz hergeben.
Weshalb zur Weihnachtszeit stillgelegte Atomkraftwerke noch mal
hochgefahren werden, um den immensen Bedarf an Elektrizität
zu decken. Süßer die Brennstäbe nie glimmen,
als zur Weihnachtszeit.

Doch auch in Krankenhäusern und Unfallkliniken
bereitet man sich spätestens ab Mitte November auf den Ernstfall
vor. Zwar gibt es keine Statistiken, aber Experten nehmen an,
dass inzwischen die Zahl der von den Leitern oder Dächern
fallenden weihnachtlichen Heimwerker jene von zu Schaden gekommenen
Skifahrern übertrifft.

Schmunzelte man vor Jahren noch amüsiert,
wenn sich erst bei näherem Hinsehen der an einem Balkon
hochkletternde Nikolaus als aufgeblasener Knecht Rupprecht entpuppte,
so trägt seine
epidemische Ausbreitung inzwischen zur Desorientierung von Kindern
bei. Hat man ihnen doch jahrelang erzählt, es gäbe
nur einen Nikolaus.

Und nicht verwunderlich ist, dass die Vorweihnachtszeit
bei vielen Menschen zu elementaren Schlafstörungen führt.
Manche Häuser sind inzwischen so hell erleuchtet, dass in
der näheren
Umgebung Mittsommernacht herrscht. Schielten früher die
Männer
auf die PS-Leistung des nachbarlichen Automobils, so scheinen
sie jetzt ihren Statuskampf mit Lichterketten auszutragen.

Dass
deshalb im Kompetenzteam der Bundeskanzlerin Angela Merkel über
eine Lichterketten-Steuer nachgedacht wird, um den Haushalt zu
sanieren, wurde allerdings nicht bestätigt. Aber auch noch
nicht dementiert.

Es war einmal eine Zeit, die nannte man Advent.
Eines Samstags Ende November wurden Tannenzweige geschnitten
…   pebe