Kartenspiele

Die Behauptung ist zugegebenermaßen etwas plakativ, entbehrt aber nicht gänzlich der Grundlage: Allem Anschein nach reduziert sich ein Leben hierzulande immer mehr auf eine Fläche von 5,4 Zentimeter auf 8,5 Zentimeter. Also auf 45,9 Quadratzentimeter.

Nein, hier ist nicht von einer neuen EU-Verordnung für die artgerechte Haltung von Wachteln die Rede. Wir sprechen von diesen niedlichen kleinen Plastikkarten, mit denen man Geld abheben kann, in Geschäften oder an der Tankstelle bezahlt. Die wir brauchen, wenn wir von einem Arzt behandelt werden wollen oder in einer Videothek Filme ausleihen. Die manche Menschen sammeln, sogar noch wenn sie längst ungültig sind. Damit sie einen möglichst dicken Geldbeutel haben, auch wenn ansonsten und vor allem auf dem Konto Ebbe ist.

Dem äußeren Eindruck tut es dann auch keinen Abbruch, wenn zum Beispiel jede Menge Kundenkarten dabei sind. Dank derer wissen Unternehmen alles über das Kaufverhalten ihrer Klientel und müssen deshalb keine teuren Marktforschungs-Institute bezahlen. Da geben sie dann auch mal gerne für Kundentreue einen Rabatt, den sie nicht selten vorher auf die Waren aufgeschlagen haben.

Aber nicht nur im Waren- und Geldverkehr geht bald nichts mehr ohne diese 45,9 Quadratzentimeter. Der gute alte Personalausweis weicht nun ebenfalls dem Plastik. Und vielleicht wäre es manchen Verkehrshütern sowieso lieber, dass sie bei geahndeten Verstößen nicht erst den Führerschein, der natürlich auch 45,9 Quadratzentimeter groß und aus Plastik ist, sondern gleich eine EC-Karte gereicht bekämen. Und der fällige Betrag via Internet vom Konto abgebucht würde. Das würde auf jeden Fall Zeit und Schreibarbeit sparen.

Aber so weit ist es noch nicht. Dafür kann in näherer Zukunft wahrscheinlich auf das umständliche traditionelle Abnehmen eines Fingerabdrucks verzichtet werden. Der „darf“ nämlich jetzt schon sein und ist vielleicht bald generell auf dem „Perso“ gespeichert, wie Jugendliche gerne und fast liebevoll den von ihnen zumeist sehnsüchtig erwarteten Personalausweis nennen.

Auch wenn noch nicht offen die Rede davon ist, wundern würde es nicht, wenn demnächst auch noch ein genetischer Fingerabdruck auf den Plastik-Personalausweisen gespeichert würde. Dann könnte bei jeder Überprüfung der Personalien gleich noch nebenbei abgecheckt werden, ob man vielleicht seine Nase irgendwo rein gesteckt hat, wo sie nichts zu suchen hatte. Oder ob man sonst irgendein Sekret gelassen hat, wo es nicht hingehörte.

Bereits Alltag ist hingegen die Frage an den Kassen nach der bereits erwähnten Kundenkarte. Da hat man mittlerweile direkt schon ein schlechtes Gewissen, wenn man keine hat. Und dass man im Supermarkt ein halbes Pfund Butter kaufen und bei der Gelegenheit noch Bares mitnehmen kann, wenn man mit dem Plastikgeld bezahlt, ist eh schon ein alter Hut.

Was Zukunftsvisionen aufdrängt. Warum nicht eine All-Inclusive-Karte? Die gleichzeitig EC- und Kreditkarte ist, Personalausweis und Führerschein, Kunden- und Versichertenkarte. Dann wüsste beispielsweise eine Krankenkasse, wer teuer kommen könnte, weil er regelmäßig Zigaretten am Automaten kauft. Sowas hat sich noch nicht einmal George Orwell ausgedacht.

pebe