Luxusprobleme

Es gibt Themen, deren Tragweite sich einem erst bei näherem Hinsehen erschließt – um nicht zu sagen, dass manches eigentlich erst zum Thema wird, wenn sich mal jemand die Mühe macht, etwas genauer hinzusehen.

Zum Beispiel bei Faltencremes. Die natürlich für nicht wenige Menschen schon ein Thema sind. Wenn auch mit höchst unterschiedlichen Wertungen. Was für die oder den Eine/n nur ein Fass ohne Boden ist, eine Investition ohne Rendite, das ist für andere eine Glaubensfrage, ähnlich fundamentalistisch angehaucht wie bei gewissen religiösen Gruppierungen in den Vereinigten Staaten, die durchaus schon mal einen Meinungsgegner mit einem Baseballschläger niederstrecken.

Was trotzdem im einen wie im anderen Fall zumeist auf der Strecke bleibt, das ist die philosophische Tiefenwirkung von Faltencreme. Ein Tatbestand, der bis dato eigentlich allen einschlägigen Geistesgrößen von Kant bis Marcuse entgangen ist. Dem ersteren, weil damals Faltencremes noch nicht so sehr in Mode waren. Dem anderen vermutlich, weil die Damen in seiner Umgebung, zart umflort vom Geist der berühmt-berüchtigten 1968-er Jahre, diesem Utensil aus dem Beauty-Case des Establishments entsagten.

Dabei genügt doch eigentlich schon die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Wort an sich oder zumindest mit einem Teil davon, um den Philosophen zu wecken: die Falten nämlich! Denn während bei einem jungen Menschen noch gerne behauptet wird, dass eine Körperpartie glatt sei wie ein Baby-Po, wird ein derartiger Vergleich angesichts eines 72-Jährigen eher selten gezogen.

Falten sind nun einmal Ausdruck und Synonym für das Altern, für körperlichen Verfall, und somit letztendlich für die Endlichkeit menschlichen Daseins. Also ist eine Faltencreme und insbesondere seine Benutzung oft nichts anderes als der unbewusste Versuch des Menschen, gegen seine Vergänglichkeit anzukämpfen. Also quasi eine Art gelebte Philosophie.

Mit Ausnahmen natürlich. Wer zum Beispiel nach einem feuchtfröhlichen Faschingsball versucht, sich das Gesicht, das vielleicht unterhalb der Augen in fataler Weise an einen einstigen Fernsehkommissar erinnert, mit Faltencreme aufzubügeln, der ist einfach nur verzweifelt.

Und ebenso wenig hat es wohl mit Philosophie zu tun, wenn schon etwas reifere Damen in der Werbung behaupten, irgendeine Faltencreme habe es geschafft, sie um Jahrzehnte jünger aussehen zu lassen. Dieses Aussehen, sowieso auf den Werbespot oder die Anzeige beschränkt und im Übrigen gut bezahlt, haben sie nämlich nur Computerprogrammen zu verdanken, die auch noch aus einem Pekinesen ein aalglattes Geschöpf machen könnten.

Auch wenn sich solches Gebaren von Pharmakonzernen und Herstellern von Faltencremes gerne hinter dem hochtrabenden Begriff Unternehmensphilosophie verschanzt, hierbei geht es nur um Gewinnmaximierung und nicht um die Vergänglichkeit des Menschen. Ein Schelm, wer jetzt an Impfstoff gegen Schweinegrippe denkt.

Allerdings wäre es ja vielleicht mal eine Überlegung wert, ob nicht auch das Wort Gewinnmaximierung einen philosophischen Hintergrund haben könnte. Man kann ja nie wissen, was einem vor dem Spiegel so alles einfällt, wenn man gerade dabei ist, die Faltencreme aufzutragen.

pebe