Erntedank

Es war einmal, so fangen nicht nur viele Märchen an, eigentlich müsste auch dieser Beitrag über ein Fest so beginnen, das in unserer christlichen Tradition ebenso verankert ist wie in anderen Ländern und Religionen. Doch fangen wir ganz von vorne an, bei den Ursprüngen.

Die liegen für unsere Hemisphäre einmal mehr in heidnischen Zeiten, denn schon im Römischen Reich, also etwa ab dem 8. Jahrhundert vor Christi Geburt, wurde ein Erntedankfest gefeiert. Damals und wie zu späteren christlichen Zeiten war der Gedanke dabei, für die Ernte zu danken, dafür, dass die Existenz der Menschen für eine Zeit lang gesichert war. Und nachdem die letzte Ernte des Jahres ja nicht nach Plan eingefahren wurde, gab es hierzulande auch lange Zeit keinen festen Termin für das Erntedankfest.

Bis die Evangelische Kirche sich an einem Erlass des preußischen Königs orientierte und im Jahr 1773 den Landeskirchen den Sonntag nach Michaelis vorschlug, also den ersten Sonntag nach dem 29. September. Was im Großen und Ganzen der Regelung gleich kommt, die dann 199 Jahre später die Bischofskonferenz den katholischen Gemeinden empfahl, nämlich am ersten Sonntag im Oktober Erntedank zu feiern.

Auf jeden Fall wurde zu diesem Anlass zum Beispiel der Altarraum mit Früchten und zusammen gebundenen Ähren geschmückt; es wurden Puppen aus Strohgarben auf den Feldern aufgestellt oder verbrannt; Festzüge zogen durch die Dörfer; es gab Festessen und Tanz. Und in manchen Gemeinden nahm man Erntedank auch als Anlass, um Jahrmärkte zu veranstalten.

Kurzum, es wurde nicht nur gedankt an diesem Tag, sondern auch richtig und durchaus auch ausgiebig gefeiert. Doch wie schon eingangs angedeutet, das war wohl einmal. Zwar gibt es immer noch Gemeinden, die an den Traditionen festhalten, weshalb sich an Erntedank in den Kirchen auch oft noch Früchte des Feldes und aus Gärten finden.

Und es gibt beispielsweise immer noch im bayerischen Fürth den großen Erntedankfestzug mit vielen geschmückten Wagen, den alljährlich Tausende verfolgen. Der übrigens vor inzwischen 200 Jahren aus Dankbarkeit ins Leben gerufen wurde, weil nach Jahren der Missernten und Verwüstungen der Felder während der napoleonischen Kriege im Jahr 1817 wie durch ein Wunder eine reiche Ernte heranwuchs und die Hungersnot endlich beendete.

Dass anderenorts nicht mehr so aufwändig oder gar nicht für die Ernte gedankt wird, liegt allerdings vermutlich nicht daran, dass es dort keine Hungersnöte gegeben hat. Es drängt sich vielmehr der Verdacht auf, dass einfach der Bezug verloren gegangen ist. Wer denkt schließlich voller Dankbarkeit angesichts riesiger Maisfelder daran, dass seine Ernährung gesichert ist. Wo man doch weiß, dass diese Feldfrucht im günstigsten Falle die Ernährung von Stalltieren sichert, in unseren Tagen zumeist aber in den Silos der Biogas-Anlagen landet.

Für uns Menschen sind die Supermärkte zuständig.

Kein Wunder also, wenn für immer mehr Menschen das Erntedankfest gerade mal zum Thanksgiving Day nach US-amerikanischem Vorbild geworden ist. Was wenigstens bedeuten würde, dass Familien an diesem Tag immerhin einmal zusammen essen. Was auch keine Selbstverständlichkeit mehr ist.

pebe