Toleranz

Friedrich der Große, von dem man auf diesem Wege erfährt, dass er Briefe an Voltaire schrieb, meinte in einem dieser Briefe: „Wenn die Vernunft ihre Stimme häufig gegen den Fanatismus erhebt, dann kann sie die künftige Generation vielleicht toleranter machen, als die gegenwärtige ist; und damit wäre schon viel gewonnen.“ Sollte er da nicht ganz falsch liegen, was man ihm durchaus unterstellen kann, auch wenn er ein Preuße ist, so sind die Schuldigen also schon gefunden: Die früheren Generationen und ihre mangelnde Vernunft!
Und wenn man dann auch noch Goethe zu Wort kommen lässt, möchte man vollends nur noch schmollen. „Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.“ Hat er gesagt, der Herr Geheimrat, und macht einem damit auch nicht gerade Mut. Fällt es doch den meisten normal Sterblichen schon nicht so ganz leicht, in bestimmten Dingen wenigstens hin und wieder mal Toleranz zu zeigen. Aber jemanden oder etwas vorbehaltlos anzuerkennen, das erscheint da fast ausweglos.
Und zeugt das denn eigentlich von Toleranz, wenn zum Beispiel das „Bayerische Bündnis für Toleranz“ mit einem Landesbischof und einem bayerischen Innenminister an der Spitze behauptet „Bayern ist bunt – nicht braun“. Bedeutet Toleranz nicht, dass alle Farben sein dürfen? Wo fängt Toleranz an, wo hört sie auf? Ist es nicht doch realistischer wie der amerikanische Lyriker und Schriftsteller Robert Frost zu behaupten, dass Toleranz das unbehagliche Gefühl sei, „der andere könne am Ende vielleicht doch recht haben“.
Sicher ist zumindest, dass Toleranz meistens dort aufhört, wo wir auf einmal selber betroffen sind. Wenn unsere ausländischen Mitbewohner beim Stadtteilfest etwas Folklore zeigen, dagegen hat doch kein toleranter Mensch etwas. Und ist das nicht auch ein Indiz für Toleranz, wenn wir beim Griechen um die Ecke Souvlaki, bei dem freundlich lächelnden Vietnamesen eine Frühlingsrolle und am türkischen Imbissstand vor dem Supermarkt mal schnell einen Döner essen?
Aber wie sieht es dann aus, wenn die siebenköpfige kurdische Familie im Stockwerk über uns einzieht? Wird da dann nicht ganz schnell das Wort Toleranz durch die Forderung nach Anpassung ersetzt? Dass „die da oben“ nämlich auch wie alle anderen anständigen Menschen Kohldüfte durchs Haus wabern lassen und nicht diesen fürchterlichen Knoblauchgestank. Und Volksmusik hören sollen anstatt von morgens bis abends dieses Gedudel, bei dem man meint auf einem orientalischen Basar zu sein.
Es ist wirklich nicht ganz einfach. Wenn in der Bibel bei Matthäus steht, dass man auch die linke Wange darbieten soll, wenn einem jemand auf die rechte schlägt, heißt das dann auch, dass ich der Intoleranz anderer keine Intoleranz entgegensetzen darf? Oder ist es nicht doch richtiger den Teufel mit dem Beelzebub, also zum Beispiel den Taliban mit Waffengewalt auszutreiben?
Es hört sich wirklich plausibel an, was zum Thema Toleranz von den Mitgliedstaaten der UNESCO 1995 in Paris erklärt wurde. Der kleine Nachteil: Die Wirklichkeit sieht anders aus. Weshalb die Doppeldeutigkeit ins Auge sticht, wenn laut Original-Wortlaut die Erklärung über die Prinzipien von Toleranz als „notwendige Voraussetzung für den Frieden und für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung aller Völker“ bei dieser 28. Generalkonferenz „verabschiedet“ wurde.
pebe