Zeichensprache

Früher trug man nicht ohne Stolz Sportabzeichen, Männer meistens am Rever. Auch Mitglieder vom Lions Club oder Rotarier machten und machen sich noch bisweilen auf diese Art für Außenstehende kenntlich. Doch zumeist sieht man Abzeichen nur noch bei Jahreshauptversammlungen von Vereinen.

Wer heute in etwa wissen will, wes Geistes Kind das Gegenüber ist und es auf Anhieb nicht anhand einer tief sitzenden Hose oder einer Gucci-Handtasche feststellen kann, dem sei empfohlen, mal auf den Arm zu schauen. Also nicht so weit oben, wo zu Hans Albers Zeiten Seemänner die Anker trugen. Das Handgelenk ist zum Aushängeschild einer ganzen Generation geworden, und weil wir hier von der Generation der Teens, Twens und Trendsetter sprechen, ist natürlich auch keine Rolex gemeint. Seit man die in der Türkei und in anderen Mittelmeer-Staaten für wenig Euro bekommen kann, hat sie keine Aussagekraft mehr.

Wer dem neuesten Trend folgt, der nach glaubwürdigen Aussagen auch schon in der Vilsgemeinde angekommen ist, der trägt Silikon. Am Handgelenk wohlgemerkt, nicht unter der Bluse oder unterm Hemd. „Livestrong“ heißt die Urmutter dieser Gattung und keinem geringeren als Tour de France-Dauergewinner Lance Armstrong haben wir diese Errungenschaft zu verdanken. Denn er, selber von dieser Krankheit heimgesucht, hat eine Stiftung für den Kampf gegen Krebs gegründet. Und vom Verkauf jedes Silicon-Bandes mit dem Schriftzug „Livestrong“ geht ein Dollar an diese Stiftung.

Keine Frage, dass diese Bänder gelb sind wie das Trikot des Spitzenreiters bei der Tour de France. Und natürlich trugen es Promis wie Matt Damon, Angelina Jolie, Pamela Anderson oder Kevin Federline als erste. Inzwischen und auch dank Sportartikel-Hersteller Nike wurden allein in den USA 40 Millionen davon verkauft. George Clooney, Sean „P.Diddy“ Combs, Tom Hanks, Justin Timerlake oder Brad Pitt hat vielleicht die Farbe nicht gefallen. Jedenfalls tragen sie lieber das Band von Bono, Frontman der irischen Rocker U2, und damit den Schriftzug „ONE Compaign“. Auch hier geht es um eine gute Sache, nämlich den Kampf gegen AIDS und den Hunger auf der Welt.

Doch wie so oft, wenn einer oder zwei eine an sich ganz gute Idee haben, kommen stets andere dazu und wollen auch ihr Süppchen kochen. Weshalb man sich inzwischen alles Mögliche auf ein Silikon-Armband drucken respektive prägen lassen kann, ohne auch nur einen einzigen Cent an irgend eine wohltätige Einrichtung zu spenden.

Doch auch so sind die Bänder aussagekräftig. Sag‘ mir, was bei dir draufsteht und welche Farbe du trägst, und ich sage dir, wer du bist! Ist es weiß, dann erhebt hier jemand seine „Stimme gegen Armut“. Ist es schwarz und weiß und außerdem verknotet, dann bekennt sich jemand zur Aktion „stand up, speak up“ gegen Rassismus im Fußball.

Wenn er allerdings ein sogenanntes Wonda Wakanda trägt, aus bunten Bändchen, Perlen und Knoten geknüpft, heißt das nur bei Michael Schuhmacher, dass er trotzdem was gespendet hat. Diese Trend-Bänder, auch schon bei Madonna oder Stella McCartney gesichtet, erzählen nämlich nur geheime Botschaften. Ein Buch mit Übersetzungen gibt es schon.   pebe