Zugegeben, eine Hochburg des Faschings beziehungsweise Karnevals,
wie er nördlich des Weißwurst-Äquators heißt,
ist unser schönes Bayernland vielleicht nicht gerade. Und
unser ganz besonders schöner Landkreis eventuell noch etwas
weniger. Während sich
beispielsweise im fernen Köln, Düsseldorf oder Mainz die berühmt
berüchtigten „Jecken“ schon seit Wochen hemmungslos
der Faschingsgaudi hingeben und spätestens ab dem „unsinnigen“ Donnerstag
bis zum Faschingsdienstag vollends in einen bisweilen „berauschten“ Ausnahmezustand
treten, sind hier im Gäu die karnevalistischen Höhepunkte eher
auf Bürgerbälle, dienstägliches Faschingstreiben wie beispielsweise
in der Vilsgemeinde oder den „Hemadlenz“ im benachbarten
Dorfen beschränkt, bei dem zumindest der Alkoholpegel mitunter für
partiellen Ausnahmezustand sorgt.
Grämen braucht man sich deswegen
aber nicht zwischen Vils und Sempt, Isen und Strogn und im Rest
des Bayernlandes. Denn wir haben etwas, was alle Büttenreden
und Funkenmariechen in den Schatten stellt: Den Aschermittwoch.
Da
treten hochkarätige Politiker und solche, die es vielleicht
noch werden wollen, ans Rednerpult und dreschen verbal auf die
oder den jeweiligen politischen Gegner ein, dass die Funken stieben.
Das heißt dann
zwar in der offiziellen Sprachregelung „Politischer Aschermittwoch“,
ist aber in Wirklichkeit die bayerische Antwort auf banale
rheinische Karnevalsfröhlichkeit, ist die geniale Verbindung
von intellektueller Leistung und dem Gebrauch von mitunter einfachsten,
aber ausdrucksstarken Worten.
Entgegen landläufiger Ansichten
wurde diese Einrichtung, dieser ur-bayerische Brauch nicht von unserem
einstigen Landes- und Übervater
Franz Josef Strauß ins Leben gerufen, sondern geht sehr viel
weiter zurück. Schon 1919 soll der Bayerische Bauernbund während
des Viehmarktes in Vilshofen eine Kundgebung abgehalten haben, was
auch den gängigen Begriff vom „Stimmvieh“ erklären
würde.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Idee von der Bayernpartei
aufgegriffen und in die Tat respektive Kundgebungen umgesetzt.
Doch
erst, als der damalige CSU-Generalsekretär Franz Josef Strauß 1953
den träge wabernden Bierdunst über den Tischen des Wolferstetter
Kellers in Vilshofen mit markigen Sprüchen und rhetorischen Finessen
durcheinander wirbelte, war der „Politische Aschermittwoch“ erst
richtig aus der Taufe gehoben.
Dieser leicht überdimensionierte CSU-Stammtisch
wurde schließlich
ein solcher Erfolg, dass FJS und seine Partei 1975 sogar in die
sehr viel größere Nibelungenhalle nach Passau umziehen mussten.
Weshalb prompt die SPD die Gelegenheit nutzte, fürderhin den Wolferstetter
Keller am Aschermittwoch in Beschlag zu nehmen. Und so folgten
dann auch nicht nur F.D.P. und Grüne dem Beispiel des einstigen
großen
Vorsitzenden, sondern auch Politiker – und solche die es werden
wollen – auf lokalen Ebenen.
Man muss sich also nicht wundern,
wenn hierzulande die Menschen bis Faschingsdienstag mit ernsten
Gesichtern rumlaufen. Sie wissen, dass am Aschermittwoch die Gaudi
erst so richtig losgeht.
pebe