Auf ein Wort

Obwohl es inzwischen alle gemerkt haben dürften, hier noch einmal in aller Deutlichkeit: Das Jahr neigt sich rapide dem Ende zu. Und damit ist natürlich wieder einmal die Zeit gekommen, die Ereignisse dieses Jahres Revue passieren zu lassen, Resümee zu ziehen.

Was sich dann wiederum und insbesondere in den Medien in Rückblicken niederschlägt. Und in den Versuchen, das Jahr mit bestimmten Menschen oder Begriffen so zu verknüpfen, dass man vielleicht sogar in 15 oder 20 Jahren noch weiß, welches Jahr gemeint ist, wenn dann davon die Rede ist.

Es werden also Frauen und Männer des Jahres gekürt, Autos und Vögel, und vielleicht gibt es ja sogar eine Waschmaschine des Jahres. Doch während letzteres vielleicht nicht so extrem aufschlussreich erscheint, kann das Wort des Jahres mitunter ausgesprochen signifikant sein für den Zeitgeist, für Ereignisse.

Wer denkt schließlich nicht bei dem Wort „Fanmeile“ an 2006, als in Deutschland um die Weltmeisterschaft gekickt wurde. Oder „Reisefreiheit“? Klar, das kann nur das Jahr 1989 gewesen sein, als die DDR die Grenzen öffnete. Schwieriger, vor allem für die Jüngeren unter uns, wird es bei der „konspirativen Wohnung“. Nicht jeder erinnert sich noch an die Zeiten von Rasterfahndung und RAF, also an das Jahr 1978.

Auf jeden Fall ist nun auch das Wort des Jahres 2010 gekürt. „Wutbürger“ lautet es, weshalb dann wohl auch „Stuttgart 21“ gleich auf Platz 2 kommt. Ein bisschen enttäuschend, dass die „Vuvuzela“ nur auf Platz 8 landete, wo uns dieses akustische Folterinstrument im WM-Sommer so sehr ans Herz gewachsen war. Wohingegen das „Sarrazin-Gen“ auf Platz 3 überrascht, wurden dieser Herr und sein wohl eher fragwürdiges Gen in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit doch schon längst von Frau Katzenberger und ihren zwei ausgeprägten „Genen“ verdrängt.

Aber wenn es auch eine ausgesprochen ehrfurchtgebietende Institution ist, die das Wort des Jahres kürt, es bleibt natürlich immer eine subjektive Angelegenheit. Ein Mensch, der täglich die Vils entlang joggt, für den wäre zum Beispiel 2008 sicher „Mineralwasserwerk“ als Wort des Jahres in Frage gekommen. Wem die Aschewolke aus Island die schönste Zeit des Jahres vermiest hat, für den wäre die natürlich Favorit.

Und sind wir doch mal ehrlich, eigentlich sind die Unwörter des Jahres auch viel interessanter. Bei den „Peanuts“ der Deutschen Bank, der „Ich-AG“ oder dem „sozialverträglichen Frühableben“, da wissen wir doch gleich, was gemeint ist. Oder wie wär’s mit der „Entlassungsproduktivität“, der „Herdprämie“ oder dem „Humankapital“? Das sind doch Wörter, die sich in die Gehirnrinde brennen.

Allerdings auch einen sehr schalen Geschmack im Mund hinterlassen. Da macht es dann doch noch mehr Spaß sich die Gewinner aus der Sparte „Jugendsprache“ zu Gemüte zu führen. „Niveaulimbo“, der aktueller Sieger, der zergeht doch quasi auf der Zunge. Da kann man doch förmlich sehen, wie das Niveau im Limbo-Rhythmus immer tiefer sinkt und sich unter der Stange durchzwängt. Oder Platz 2, das „Arschfax“? Ganz deutlich hat man da das Unterhosenetikett vor Augen, das aus der Hose blitzt.

Meine heimlichen Lieblinge sind allerdings aus früheren Jahren: „Speckbarbie“ und „Gammelfleischparty“. Aber vielleicht liegt das auch nur daran, dass ich weder weiblichen Geschlechts bin noch auf Ü-30 Partys gehe.

pebe