Kirta

Mancher merkt es vielleicht nur, weil der Bäcker auf einmal
ein ganz anderes Gebäck in der Auslage liegen hat. Für
andere ist es ein willkommener Anlass, um nach altem Brauch mit
Freunden oder der Verwandtschaft zusammen zu sitzen und zu essen
und zu trinken.

Aber natürlich gibt es nicht wenige, und das vor allem in den
kleineren Ortschaften, die noch ganz genau wissen, wer oder was Kirta
ist, die Kirchweih also. Wie das Wort schon besagt, wurde ursprünglich
an diesem Tag der Namenspatron einer jeden Kirche gefeiert, also der
feierlichen Weihe des Gotteshauses gedacht. In jedem Ort geschah das
mehr oder minder an einem anderen Tag. Es war ein Brauch in der katholischen
und später auch der evangelischen Kirche, der laut mancher Quelle
auf das 5. Jahrhundert zurückgehen soll, sicher aber im 9. Jahrhundert
fest im dörflichen und auch städtischen Leben verankert war.

Und weil diese Kirchweihe gerne ausgiebig, nämlich am liebsten
drei Tage – von Samstag bis Montag – und mitunter auch schon mal in den
Dienstag hinein gefeiert wurde, wurde es dann sogar dem einer kleinen
Feier ansonsten nicht unbedingt so abgeneigten Klerus der damaligen Zeit
etwas zu viel.

Denn nicht nur, dass ja an Tagen, an denen gefeiert wird, nicht gearbeitet
werden kann. Ganze Horden junger und manchmal auch etwas älterer
Burschen marschierten irgendwann von Dorf zu Dorf und von Kirta zu Kirta.
Was der Leber schadete und außerdem zu manchen Raufereien führte.
Und weil im Herbst auch das Einbringen der Ernte unter den Kirchweihfesten
litt, wurde beispielsweise in Bayern im 19. Jahrhundert Kirta generell
und für alle Kirchenpatrone auf den 3. Sonntag im Oktober gelegt.

Nur die Franken haben sich großenteils und bis zum heutigen Tag
erfolgreich dagegen gewehrt, an diesem Tag die Fahrtüchtigkeit nach
dem Genuss von zwei Maß Bier zu erproben, wie es ihnen ihr Landesvater
vor kurzem empfahl. Bei ihnen und teilweise auch in der Oberpfalz wird
immer noch am Namenstag des Schutzheiligen und Kirchenpatrons gefeiert.

Doch für ausgewiesene Liebhaber von Kirtanudeln dürfte das
eher unerheblich sein. Für sie zählt nur, dass es wenigstens
einmal im Jahr dieses herrliche Schmalzgebackene gibt, das natürlich
nicht im Entferntesten mit „Pasta“ zu tun hat, sondern vielmehr
eine nur von Könnern herzustellende kulinarische Verführung
nach bayerischer Art ist.

Und wo die Kirchweih noch gefeiert wird, wie es dereinst Brauch war,
da kann man sich natürlich auch auf eine knusprige Kirchweihgans
freuen. Dass allerdings an diesem Tag auch noch eine Kirta-Hutschn aufgebaut
wird, das dürfte heutzutage eher die Ausnahme sein. Dabei bot die
große Schaukel aus einem Baumstamm, der an Bäumen oder unter
dem Dach eines großen Heustadels aufgehängt wurde, so wunderbare
Möglichkeiten, dem anderen oder vielleicht auch mal dem eigenen
Geschlecht etwas näher zu kommen.

Eine Möglichkeit, die natürlich auch der Kirta-Tanz bot und
bietet, zumindest da, wo es ihn noch gibt – inzwischen aber eher folkloristisch
veredelt. Mancherorts wurde aus der Kirchweih ein Volksfest.

Mittlerweile findet Kirchweih vielerorts nur noch in der sonntäglichen
Predigt statt, was jammerschade ist. Denn was dereinst nach dieser
Predigt kam, das könnte selbst heutzutage noch Kirta zu einem besonderen
Tag machen.

pebe