Frühjahrsgeräusche

Es ist schon etwas Herrliches. Diese Farbenpracht nach den tristen Wintermonaten. Das immer kräftigere Grün, das von Blüten in allen Farben zu einem bunten Kaleidoskop gemischt wird. Die Aufbruchstimmung, die überall herrscht. Das allgegenwärtige Erwachen der Natur, das ja so oft einhergeht mit einer Art Erwachen des Menschen, mit seiner plötzlichen Betriebsamkeit.

Die sich dann allerdings unterschiedlich auswirkt, und zwar überraschenderweise geschlechterspezifisch. Denn während Frauen im Frühjahr vor allem beginnen mit Samentüten zu rascheln, mit kleinen Schaufeln dunkle Erde in kleine Töpfe rieseln lassen oder fast geräuschlos kleine Pflänzchen in der Erde mit dem Daumen andrücken, vielleicht nur untermalt von einem leise gesummten Lied, hat der durchschnittliche Mann, sofern er die Möglichkeiten dazu hat, ganz andere Ambitionen und Neigungen. Er rüstet auf.

Wie es ein Heimwerkermarkt schon so trefflich in Worte gefasst und für seine Werbung übernommen hat. Vergangenheit sind die Tage, als der Mann, eigentlich schon immer für etwas Größeres geboren, bescheiden und fast geräuschlos mit einem Spindelmäher den gerade gesprossenen Grashalmen zu Leibe rückte. Selbst wenn es sich nicht nur um badehandtuchgroße Rasenflächen handelte.

Was zur Folge hatte, dass Männer damals auch noch um einiges muskulöser waren als heute, ganz zu schweigen von der Kondition. Denn heute machen sich Männer die Technik zum Diener. Und Technik bedeutet in unserer Hemisphäre und in diesen Tagen, dass die Geräte immer aufwändiger, größer, powervoller und damit zumeist auch lauter werden müssen.

Selbst Männer, die sich ihre 82 Quadratmeter Rasen mit der Kreditbank teilen, kommen nicht mehr umhin, sich einen Supermäher zu kaufen, mit allen technischen Schikanen. Und einem Schallleistungspegel von 100 db(A). Was in etwa dem entspricht, was Gehörschäden hervorrufen kann und gerade mal 10 db von der Schmerzgrenze entfernt ist.

Da ist natürlich gewährleistet, dass es auch dem zwei bis drei Häuser entferntem Nachbarn nicht entgeht, wenn der Herr aller Grashalme sein Gerät in Stellung bringt. Vielleicht als Auftakt erst einmal die letzten Laubblätter mit einem einzig dafür konzipierten Gerät mit dem Geräuschpegel eines Formel 1-Boliden auf das Nachbargrundstück fegt oder mit einer kraftvollen Motorsäge einem etwas deprimierend dünnen Ast zu Leibe rückt, damit der Rasenmäher keine Kratzer bekommt.

Schließlich haben all diese Geräte einen ähnlichen Stellenwert im Leben des Homo Machinae wie zum Beispiel das Auto. Nur mit dem Unterschied, dass bei ersteren ein engstirniger Gesetzgeber auf Lärmbegrenzung drängt.

Weshalb nicht wenige Menschen, die das Privileg haben, in der Nähe von Grünflächen und nachbarlichen Gärten zu leben, unbeschadet aller Freude über die erwachende Natur auch mit einer gewissen Wehmut an die Wintertage denken. Als das Fallen des Schnees, das Knistern des Feuers im Kamin oder ein leichtes Rauschen des Windes die einzigen Geräusche waren, die die absolute Ruhe störten.

Eine stille Hoffnung gibt es für lärmgeplagte Zeitgenossen: Dass leise vor sich hin surrende Rasenroboter irgendwann den großen Durchbruch schaffen …

pebe