Mit Dirndl und Lederhosn

Es gibt hierzulande nachweislich Menschen, für die diese Tage der absolute Höhepunkt des Jahres sind. Die schon ab Mitte Oktober auf diese etwas mehr als zwei Wochen im nächsten Jahr hin fiebern, ja sogar auf Urlaubsreisen nach Ibiza, in die Toskana oder nach Kärnten verzichten und ihren Jahresurlaub just auf diese Zeit Ende September, Anfang Oktober legen, mit einem einzigen Ziel: die Wies’n in München.

Wobei sie oft und sinnvoller Weise noch eine Woche anhängen, um sich anschließend von den Anstrengungen zu erholen, um einen leichten Leberschaden auszukurieren.

Aber dieses Phänomen findet sich nicht nur bei traditionsbewussten Bayern oder fraternisierenden Preußen, wie man glauben könnte. Nein, inzwischen gibt es sogar weltweit Menschen, für die ein Leben ohne den alljährlichen Besuch des Münchener Oktoberfestes nicht mehr vorstellbar ist, die vielfach sogar Kredite aufnehmen, ihre Autos oder Fahrräder verkaufen, um sich dieses Vergnügen zu ermöglichen.

Davon zeugt nicht nur die Tatsache, dass in diesen zwei Wochen in den S- und U-Bahnen mehr Englisch oder Italienisch gesprochen wird als Bayerisch oder Hochdeutsch, ganz zu schweigen von Japanisch und inzwischen auch Chinesisch.

Dass das Oktoberfest unbestritten weltweit als Kulturgut und Reiseziel anerkannt ist, das wurde vor wenigen Tagen vor allem auch in der deutschen Hochburg des Weißbiers offenbar. Als sich nämlich vor der Abzweigung zum Erdinger Volksfestplatz fast kilometerweit Campingbusse stauten, die, man höre und staune, aus Frankreich kamen, Teilnehmer einer internationalen Rallye, mit Oktoberfestbesuchen als Endziel.

Die also aus einem Land kamen, in dem die Menschen davon ausgehen, dass der Rest der Welt eigentlich Französisch sprechen und der französischen Küche huldigen müsste.

Welchen Stellenwert dieser überraschende Zuspruch hat, dessen wird man sich erst so richtig bewusst, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass es in den Wies’n-Zelten weder Cotes du Ventoux zu trinken noch Quiche, Schnecken oder eine Bûche (nicht verwandt mit der Baumart, sondern ein Kuchen) zu essen gibt. Und man fragt sich so langsam, wann es endlich zum Beispiel auch in Berlin angekommen ist, dass dieses Oktoberfest mehr und mehr in der Welt Synonym für Deutschland ist.

Was auch erklärt, warum die Deutschen sich auf die vorderen Plätze auf der weltweiten Beliebtheitsskala vorgearbeitet haben. Mit uns nicht mehr Begriffe wie Pünktlichkeit oder Sauberkeit verbunden werden sondern Dirndl, Maßkrug und das Tanzen auf Tischen. Das schreit doch geradezu nach Konsequenzen.

Wann endlich trägt also unser Bundespräsident bei Staatsempfängen Lederhose? Warum hat unser Außenminister keinen Hut mit Gamsbart? Dass Angela Merkel kein Dirndl trägt, versteht man vielleicht noch. Aber warum noch nie ein G-7-Treffen auf der Wies’n war, das ist mir wirklich schleierhaft.

Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass das unter anderem wesentlich zur Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen beitragen würde. Wäre vielleicht nur darüber nachzudenken, ob für diesen Fall nicht besser auf das Ausschenken der Russn-Mass verzichtet werden sollte …

pebe