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Radfahrer verlangsamten an jenem Samstagmorgen im April an der
großen Wiese zwischen Vils, der weit ausladenden Eiche
auf der anderen Seite des Weges und den angrenzenden Häusern
ihre Fahrt. Fußgänger blieben stehen. In manchen Häusern
bewegte sich immer mal wieder eine Gardine.

Was diese Aufmerksamkeit
erregte, das waren nicht allein die mächtigen
Baumstämme am Wegesrand, die Bündel mit frisch geschnittenen
Weiden oder der Lastwagen mit einer eindrucksvoll großen
Trauerweide auf der Ladefläche. Was sogar einen Rennradler
dann dazu bewegte anzuhalten, das war an jenem Morgen ein Herr
in dunkler, eleganter Kleidung, der kurz zuvor sein Jackett abgelegt
hatte und jetzt im Begriff war, mit einem Spaten ein Loch in die
Erde zu graben.

Und bald von weiteren Spaten unterstützt wurde;
bis die Vertiefung im Boden groß genug war, ein Gabelstapler
die Trauerweide von der Ladefläche des Lastwagens hob und
– mit dem Wurzelwerk voran – in das Loch in der Wiese absenkte.

Der
Mann im Anzug, das war Taufkirchens Bürgermeister Franz
Hofstetter, und seine ersten Spatenstiche waren der offizielle
Auftakt zu einem Kunst-Projekt der etwas größeren
räumlichen
und zeitlichen Dimensionen.

Und wer anders als der Erdinger Künstler
Harry S. könnte
dahinter stehen, um die Idee für einen großen Weidenhain
zu entwickeln, unbeeindruckt von der zeitlichen Dimension, ein
Projekt in Angriff zu nehmen, das im wahrsten Sinne des Wortes
wächst. Etwa 15 Jahre wird es dauern, bis eine Weidenkuppel,
in der Konzerte oder Lesungen stattfinden könnten, in diesem
Skulpturengarten ihre endgültige Form erreicht hat. Bis
der Kreuzgang, der sich wie ein Schneckenhaus vergrößern
und erweitern soll, „erwachsen“ sein wird.

Inspiriert
wurde Harry S., der als Künstler inzwischen auch
in den USA gefragt ist, von dem Tarot-Garten der französischen
Künstlerin Niki de Saint Phalle, im Süden der Toskana.
Und von den Weiden-Skulpturen und Naturbauwerken des Architekten
und Mitbegründers der alternativen Architektengruppe „Sanfte
Strukturen“, Marcel Kalberer, der beispielsweise in Rostock
mit einem „Weidendom“ eines der größten „lebendigen“ Naturkunstwerke
der Welt schuf.

Das ist auch für Harry S., in der Vergangenheit
als Maler und Performance-Künstler schon mal gerne Provokateur,
aber in den letzten Jahren mit immer mehr Nachdenklichkeit ans
Werk gehend, der entscheidende gedankliche Ansatz. Mit S-amhain,
dem Weidenhain auf der Wiese zwischen Vils und Vilsgemeinde,
will er ein lebendiges Kunst-Projekt entstehen lassen.

Lebendig,
weil das Material fast ausschließlich Weiden sind,
die wachsen, dem Lauf der Jahreszeiten folgen. Lebendig aber
auch, weil er sich erhofft, dass er bei diesem Projekt tatkräftig
von den Menschen, die hier leben und arbeiten, unterstützt
wird.

Dass diese Menschen aber auch S-amhain für sich entdecken,
beginnen mit und in ihm zu leben. Vielleicht hierher kommen um
Ruhe zu finden, sich mit anderen Menschen zu treffen. Und nicht
nur stehen bleiben, wenn der Bürgermeister das nächste
Mal einen Spaten in die Hand nimmt.

Und was dazu vielleicht auch
animieren könnte, das ist die
Erkenntnis, dass der einst und zeitweilig als Enfant terrible,
als „schreckliches Kind“ verschriene Künstler
ein durchaus verträglicher Mensch ist, gesellig aber auch
ruhig und nachdenklich. Dem Hörensagen nach kann man mit
ihm auch über Fußball reden.

pebe