Zeugen der Vergangenheit

Man braucht jetzt nur einmal zum Fenster hinauszuschauen. Vielleicht
in der ersten Abenddämmerung. Und sich dann mit den Gedanken in
längst vergangene Tage zurückversetzen. Schon kann man mit
etwas Phantasie vielleicht den Ruf eines Käuzchens hören, den
Wind, wie er um ein altehrwürdiges Gemäuer pfeift. Mit einem
leichten Schaudern vernimmt man das Ächzen einer Tür. Hört
schlurfende Schritte auf einem der langen Flure. Wispernde Stimmen.

Auch wenn das Wasserschloss jetzt in freundlicheren Farben erstrahlt,
noch ein paar Jahre zurück bot es wirklich alle Möglichkeiten,
der Phantasie freien Lauf zu lassen und die schaurigsten Gruselgeschichten
darin anzusiedeln.

Aber natürlich lassen sich dort gedanklich auch lange Tafeln aufstellen,
an denen dann eine herrschaftliche Abendgesellschaft in zeitgemäßen
Gewändern große Braten verspeist und die Kelche mit Wein kreisen
lässt. Die Geschichte des Schlosses, die man übrigens in einem
vom Heimat- und Verschönerungsverein in diesen Tagen herausgegebenen
Schlossbuch nachlesen kann, lässt es auf jeden Fall zu. Im Jahr
1263 zum ersten Mal urkundlich erwähnt und später in die Hände
der Herren von Fraunberg übergegangen, war das Wasserschloss wohl
stets Mittelpunkt des gesellschaftlichen und sicher auch wirtschaftlichen
Lebens.

Es wurde dann Mitte des 16.Jahrhunderts sogar zu einer Art Nymphenburg
des Vilstals. Denn ab dieser Zeit und bis in die zweite Hälfte des
17. Jahrhunderts war das Wasserschloss im Besitz der Fugger, die nicht
nur in Augsburg für Prosperität sorgten und verantwortlich
dafür zeichneten, dass das Wasserschloss größer und prächtiger
ausgebaut wurde. Auch dass es heute noch eine kleine Kapelle im Wasserschloss
gibt, in der junge Paare mit kirchlichem Segen in den Hafen der Ehe segeln
können, ist das Verdienst der Fugger. Und es wurde in diesen Zeiten
in weiser Voraussicht der Grundstock dafür gelegt, dass heute die
Eisstockschützen bei frostigen Temperaturen und in winterlich idyllischem
Ambiente auf dem Schlossweiher ihrer Leidenschaft nachgehen können.

Dass die Fugger und die ihnen nachfolgenden Freiherren von Puech bereits
daran gedacht haben könnten, dass später die Räumlichkeiten
auch einmal für die Unterbringung von Patienten der benachbarten
Klinik nutzbar sein würden, ist wohl eher unwahrscheinlich. Vorstellbar
wäre hingegen, dass auch schon zu ihren Zeiten in dem einen oder
anderen Raum Musik erklang, wie es heute der Fall ist. Und vielleicht
gab es auch schon damals irgendeinen Verwandten, der etwas aus der Art
geschlagen und Maler war und sich in einem der lichteren Räume ein
Atelier einrichtete.

Heute ist das natürlich ganz anders. Da muss man nicht verwandt
oder verschwägert sein mit dem Privatmann, der das Wasserschloss
2005 für einen symbolischen Euro kaufte und es seither renoviert.
Auch wenn eine Heirat natürlich nie schaden kann.

In der Vorweihnachtszeit steht das Wasserschloss allerdings nicht so
sehr als Musentempel im Mittelpunkt. Da wird es zum wohl größten
Adventskalender diesseits und jenseits von Vils und Sempt. Und
jeden Tag wartet hinter einem der Fenster eine Überraschung. Zu
dieser Zeit kann man noch nicht einmal mit viel Phantasie irgendwelche
Geister im Wasserschloss spuken lassen, da haben eher himmlische Chöre
das Zepter übernommen.

pebe