E-Mail: Ein Siegeszug

Es ist wirklich noch nicht so lange her. Gerade mal 27 Jahre. Also zumindest in Deutschland kam da die erste E-Mail bei ihrem Empfänger an, einem Wissenschaftler an der TH Karlsruhe. Also 1984. Interessantes Detail am Rande: Die Botschaft aus dem Internet brauchte damals fast 22 Stunden von den USA bis Karlsruhe. Da war wohl gerade hoher Seegang auf dem Atlantik. Aber selbst 10 Jahre danach konnte man zwar in einem Nachschlagewerk alles über den Schmelzüberzug Email nachlesen, jedoch immer noch kein Wort über E-Mails finden.

Inzwischen ist alles ganz anders. E-Mails sind um einiges schneller. Auch Oma und Opa schicken jetzt gerne mal eine an die Enkel oder den Online-Versand. Und viele Menschen „checken“ morgens erst mal ihre E-Mails, bevor sie die Zähne putzen. Will heißen, dass sie in ihrem E-Mail-Postfach nachschauen, ob Tante Elvira oder Cousin Pascal geschrieben haben, die Jeans endlich ausgeliefert wurde oder irgendein Online-Shop Sonderangebote hat. Oder wieder nur Menschen aus Hongkong, die man nun wirklich nicht kennt, Viagra zum Schnäppchenpreis oder schlimmeres anbieten.

Und außerdem vergeht nur noch selten ein Tag in unserem Leben, an dem nicht irgendwann dieser Satz am Telefon fällt: „Ich schick ‘ne Mail!“ Was den großen Vorteil hat, dass man sich am Telefon nicht weiter rumärgern muss. Das Ganze in Zahlen sieht dann so aus: Im Jahr 2010 wurden weltweit etwa 107 Billionen E-Mails verschickt. Was hier nicht in Zahlen ausgedrückt wird, weil sonst kein Platz mehr für den Text bleibt.

Annähernd 90 % davon sind allerdings sogenannte Spam-Mails. Siehe oben, Stichwort Hongkong: unerwünschte Massen-E-Mails mit meist fragwürdigem Inhalt. Aber dann bleiben ja immer noch wackere 10 Billionen E-Mails, und das ist ja auch kein Pappenstiel. Weshalb sich die Frage aufdrängt, was denn diese Art der Kommunikation denn wohl so beliebt macht.

Und wie so oft im Leben gibt es darauf verschiedene Antworten. Also erst einmal ist es praktisch. PC an, Internet an, schreiben, wegschicken. Man braucht kein Papier, keine Briefmarke, ein einziger Finger und die notwendige Gerätschaft, die ja mittlerweile sowieso in fast jedem Haushalt rumsteht, reichen.

Und weil E-Mails auch Anlagen haben dürfen, kann man ja sogar Bilder verschicken, Musik und ganze Romane, ohne dass man extra auf die Post muss. Außerdem schreiben die meisten Menschen inzwischen E-Mails, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Also mit Rechtschreibung braucht sich eigentlich auch keiner mehr aufhalten.

Womit wir – kleiner Tusch – bei den elementaren, gesellschaftsrelevanten Aspekten angekommen wären. E-Mails sind schnelllebig. Schnell geschrieben, schnell gelöscht. Sind deshalb viel sicherer als Wäschekommoden. Und vermeiden so schön, dass es ein direktes Gegenüber gibt. So jemand aus Haut und Haar, dem man vielleicht auch noch in die Augen schauen muss. In E-Mails kann man alles schreiben, was man sich sonst vielleicht nicht trauen würde zu sagen.

Und wenn man sich Pärchen anschaut, die an einem Tisch sitzen, jeder mit seinem Smartphone beschäftigt, dann verwundert dieser Gedanke über E-Mails wohl auch nicht mehr so sehr: Sind E-Mails vielleicht so beliebt, weil sie Nähe schaffen, ohne dass deswegen der Abstand zu anderen Menschen zu klein wird? Sind E-Mails so beliebt, weil es „Abstandshalter“ sind?

pebe