… UND WIE UNS EIN EXPERIMENT WIEDER VERBINDET
Neulich ritten wir an dieser Stelle auf dem Rücken der Pferde durch die Prärie, heute geht’s auf den Teer. Beim Abbiegen erinnere ich mich an meine Lokalreporterzeit und die Bürgerversammlungen, wo die größte Erfolgsmeldung stets jene war, wie viele Gemeindeverbindungsstraßen geteert werden konnten. Dabei halte ich Teerstraßen für die einschneidendste Erfindung der Neuzeit.
Mit der Teerstraße hat sich die Menschheit endgültig der Umgebung und Natur enthoben. Auf ihr rauschen wir durch die Welt – ohne Verbindung zu Landschaft und Umwelt. Glaubst Du nicht? Prüfe einmal, wie sich die Wahrnehmung ändert, wenn Du auf eine Kies- oder Feldstraße abbiegst … Sofort bist Du ein Teil der Landschaft, bewegst dich in ihr und nicht durch sie hindurch.
Auf Teerstraßen nimmst Du die Welt links und rechts der Straße wahr – versuche einmal, diese Trennung zu egalisieren und nicht in links und rechts zu sehen. Gelingt kaum. Teer trennt, hat glatt definierte Ränder, hebt heraus. Auf ihm sind wir ab- und herausgehoben.
Freilich, keiner von uns will mehr auf Feldwegen nach Taufkirchen (Vils), geschweige denn nach München oder ins Gebirge fahren. Aber wir sollten uns einmal bewusst werden, was die Teerstraße mit uns gemacht hat. Und die Frage stellen, ob jede letzte geteerte Gemeindeverbindungsstraße wirklich eine Erfolgsmeldung ist.
Bleiben wir im Dorf. Da ist es oft genauso nervig wie legal, wenn rechts auf der Straße Autos parken. Mitten auf der Straße! Weil wir uns daran gewöhnt haben, dass die Straße nicht zum Dorf gehört, dass sie freie Durchfahrt ist, extraterritorial. Als Fußgänger verzieht man sich auf den Bürgersteig.
Ich schlage Dir ein Experiment vor: Spaziere einmal mitten auf der Straße durch Deinen Ort (und prüfe vorher, ob kein Auto kommt! Der KOMPASS übernimmt keine Verantwortung). Dann schau, was passiert: wie sich im Handumdrehen die Perspektive verändert! Die Straße wird Teil des Dorfes, das selbst nun nicht mehr bloß links und rechts, geteilt und total durchschnitten dasteht.
Vielleicht wird es Zeit, dass wir unsere Dorf-Plätze zurückerobern! Parkende Autos zeigen eigentlich genau das an. _Markus Tremmel