Aus der Reihe Inklusion

Interview mit Samah Almotafi

05Samah AlmotafiSamah Almotafi hat im September 2019 ihren Abschluss zur Gesundheits- und Krankenpflegerin am kbo Klinikum Taufkirchen (Vils) als Jahrgangsbeste beendet. Für ihre hervorragenden Leistungen bekam sie den Bayerischen Staatspreis verliehen. Frau Almotafi flüchtete 2015 über die Balkanroute aus Syrien nach Deutschland. Seit Oktober 2019 arbeitet sie auf der Intensivstation des kbo-Klinikums in Haar. Sie engagierte sich mehrere Jahre ehrenamtlich im Caritas Mehrgenerationenhaus.

  • Wie haben Sie „uns Deutsche“ erlebt nach Ihrer Ankunft in unserer Region? Wer oder was hat Ihnen geholfen, sich in Taufkirchen (Vils) zurecht zu finden?

Die Deutschen sind tolerant, sehr freundlich und hilfsbereit.

Über die Krankenpflegeschule kbo in Taufkirchen (Vils) kam ich mit vielen Leuten in Kontakt. Meine Lehrer waren immer für mich da. Wir waren in der Schule wie eine kleine Familie, jeder hat für die anderen gesorgt. Im Mehrgenerationenhaus bin ich vielen Menschen begegnet, die auch total offen und freundlich sind und habe dort ehrenamtlich gearbeitet.

  • Sie sprechen sehr gut Deutsch. Wie haben sie unsere Sprache so schnell erlernt?

Flüchtlinge dürfen keinen Deutschkurs besuchen, bis sie anerkannt werden! Das war frustrierend zu wissen. Ich habe eine tolle deutsche Freundin in Dorfen kennengelernt, die mir die ersten Lektionen in Deutsch beibrachte. Ich suchte auch immer Kontakt zu Deutschen und bat sie darum, mich beim Reden und Schreiben zu korrigieren.

  • Was hat Sie motiviert, eine dreijährige Ausbildung im kbo-Klinikum zu machen?

Ich wollte produktiver sein, mir auch selbst eine Chance geben weiter das Leben zu genießen, aus dem Flüchtlingslager raus zu kommen, neuen Menschen zu begegnen, für mich selbst zu sorgen und zu sprechen und etwas sinnvolles zu machen. Ich fand, eine Ausbildung ist die beste Gelegenheit, um Geld zu verdienen, gleichzeitig zu lernen, zu arbeiten und selbstständig zu werden und dadurch auch Menschen kennenlernen.

  • Wie haben Sie in der kurzen Zeit die Zugangsvoraussetzungen für diese anspruchsvolle Ausbildung erreicht?

Ich musste intensiv zu Hause lernen, da ich die Bewerbungsfrist in der Ausbildung nicht versäumen wollte. Ich merkte, nur in den Deutschkurs zu gehen wird nicht reichen. Ich habe viele Vokabeln und Grammatik gelernt und am Handy Spiele heruntergeladen, um die Sprache spielerisch zu lernen. Nach dem Vorstellungsgespräch hatte ich viele Ängste, da ich auf manche Fragen nicht besonders gut antworten konnte. Ich versprach mir selbst, wenn ich angenommen werde, werde ich mich sehr anstrengen und meine Sprachkenntnisse verbessern und vertiefen.

  • Was war für Sie wichtig, um sich gut integrieren zu können?

Sich angenommen zu fühlen, ein offenes Ohr zu finden und eine warme Hand zu spüren, kleine Hilfe oder Unterstützung, um mir Kraft zu geben auf meinen Weg weiter zu gehen. Auf die Leute zuzugehen ist eine Herausforderung für die neuen Migranten.

Oft sind die eigenen Fragen selbst beunruhigend: Wie soll ich das ansprechen? Was halten sie von mir? Akzeptieren sie mich?

  • Was planen oder wünschen Sie für Ihre berufliche und private Zukunft?

Ich wünsche mir, dass ich weiter im medizinischen Bereich studieren kann, um Menschen in Not zu helfen.

Das Interview führte Katharina Gaigl vom Mehrgenerationenhaus

Aussagen von Herrn Schmid, Pflegedirektor des kbo-Isar-Amper-Klinikums, und Herrn Feichtbauer, Schulleiter der Berufsfachschule für Pflege, kbo-Isar-Amper-Klinikum Taufkirchen (Vils):

„Samah Almotafi ist ein gelungenes Beispiel für Integra­tion – in der Gesellschaft, in der Arbeitswelt und in unserem Klinikum. Im kbo-Klinikum mit neun Standorten in ganz Oberbayern arbeiten Kolleginnen und Kollegen aus mehr als 80 Ländern, sie bringen ihre Kulturen und Ideen ein. Auch das macht unsere Vielfalt und Stärke aus.

Die neuen Kolleginnen und Kollegen arbeiten in allen Berufen, sie bereichern unsere Arbeit und unseren Alltag gleichermaßen. Und gerade in der Berufsfachschule für Gesundheits- und Krankenpflege machen viele Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund ihre Ausbildung. Sie sind bereits jetzt eine wichtige Stütze unserer Versorgung, und sie werden es noch stärker nach dem erfolgreichen Examen sein.“

Hermann Schmid

„Für unsere Berufsfachschule für Pflege stellen die Schülerinnen und Schüler, die aus anderen Ländern zu uns finden, eine große Bereicherung dar. Derzeit besuchen 8 Schüler*innen aus verschiedenen Nicht-EU-Staaten unsere Schule. Sie sind nicht nur zahlenmäßig eine wichtige Stütze für uns. Wir sehen auch jedes Jahr wieder, dass gerade diese Schüler*innen, wenn Sie die sprachliche Hürde überwinden können, zu den Top-Examenskandidaten gehören.

Nicht nur in der Pflege, sondern auch in anderen Berufsgruppen, wie dem ärztlichen Dienst, spielen Mitarbeiter aus anderen Herkunftsländern eine große Rolle, um alle Stellen besetzen zu können“.

Günter Feichtbauer