Alleinsein ist auch (k)eine Lösung

Vielleicht ist das eine Konsequenz aus der Tatsache, dass es immer mehr Menschen geworden sind, die diesen Planeten und damit auch unser schon so erfreulich lange friedliches Europa bevölkern. Jedenfalls trachteten die Menschen, insbesondere in unseren Regionen, noch nie so sehr wie heute danach, Individuum zu sein, sich von anderen abzuheben und zu unterscheiden. Und sei es nur durch die Wahl des Urlaubszieles. Weshalb dann auch ganze Industriezweige behilflich sind, uns selber zu finden.

Unter anderem und eher nebenbei auch dadurch, dass uns beispielsweise der Individualverkehr schmackhaft und möglich gemacht wird. Durch den sind wir in der Lage, uns unbeschadet der Größe des jeweiligen Vehikels ganz alleine von A nach B zu bewegen, vielleicht nur begleitet von den sanften Klängen aus einem indischen Ashram. Hauptsache niemand quatscht uns die Ohren voll.

Allerdings sollte man an dieser Stelle nicht vergessen, dass auch das seine Konsequenzen hat. Denn je mehr man sich selber zu und von anderen abwendet, desto leichter kann es passieren, dass man womöglich auch dann alleine ist, wenn man es gar nicht möchte. Andererseits können sich vor allem unter den jungen Leuten immer weniger vorstellen, mit jemand anderem zusammen zu leben.

Nun gibt es natürlich auch jene Menschen, die eigentlich nie sich selber gesucht haben, sondern viel lieber jemand an ihrer Seite hätten. Sie oder ihn aber nie fanden. Oder durch Lebensumstände wie den Tod des anderen Menschen plötzlich alleine da standen. Was vor allem mit zunehmendem Alter eintreten kann und sich damit in Zeiten des gesellschaftlichen Wandels und immer mehr verschwindender Großfamilien wiederum verstärkt auf die Auslastung von Seniorenheimen auswirkt.

Wie betroffen nicht wenige alte Menschen von dieser Entwicklung sind, sollte zu denken geben. Denn wenn wir ehrlich sind: So schwierig manchmal Beziehungen in Familien oder auch trauter Zweisamkeit sein können, das Alleinsein ist nicht wirklich die große, ungetrübte Freiheit – und nur selten die wahre Alternative.

Das kann wohl jeder bestätigen, der sich einmal in der Woche bei einer Tafel Lebensmittel abholt. Was in Deutschland laut einem gut verdienenden Politiker zwar kein Zeichen für Armut ist. Aber nachdem es vor allem ältere Menschen und Alleinerziehende sind, die man dort antrifft, ist es auf jeden Fall ein Zeichen von Ausgrenzung. Und ein Indiz dafür, dass ohne Menschen, die einen notfalls unterstützen können, das Alleinsein noch schlimmer ist. Gut also, dass es solche Einrichtungen gibt.

Aber ist damit wirklich der Eindruck beseitigt, dass unsere sogenannte Solidargemeinschaft immer weiter auseinander driftet? Immer weniger Gemeinschaft ist? Dass durch die Suche nach dem „Ich“ vielfach das Ego gefunden und noch mehr in den Mittelpunkt gerückt wurde? Einsamkeit ist kein Virus, den man sich irgendwo einfängt. Das Alleinsein, das als Last empfunden wird, ist auch die Folge einer gesellschaftlichen Entwicklung.

Vielleicht ließe sich da etwas dagegen tun, ohne dass deswegen gleich der individuelle Mensch auf der Strecke bleibt. Es muss ja nicht gleich eine Ministerin für Einsamkeit sein, wie es sie inzwischen in England gibt.

pebe