Garteln

Es pfeifen nicht nur die Spatzen von den Dächern, auch die Medien berichten momentan mehr denn je und ausführlich darüber. In einer überregionalen Tageszeitung ist beispielsweise zu lesen, dass der Gartenmarkt im vergangenen Jahr explosionsartig aufgeblüht sei „wie eine Magnolie im April“. Und dass der Industrieverband Garten jubeln würde, weil es „einen vermutlich auf lange Sicht nicht zu schlagenden Rekordumsatz von rund 20,7 Milliarden €“ gegeben habe.

Doch das ist leider wie so oft im Leben nur die halbe Wahrheit. Denn erstens haben die Magnolien in diesem April in vielen Regionen schnell braune Blütenblätter bekommen, weil es zu kalt, zu frostig und zu feucht war. Und zweitens weiß man nicht so genau, wie viele Prozent der Milliarden für einen allzu oft verschwiegenen Zweck ausgegeben wurden, nämlich den Ankauf von Vernichtungsmitteln und tödlichen Fallen.

Denn das „Garteln“, wie es so anheimelnd in Bayern genannt wird, kann nicht nur therapeutische Kräfte entfalten, wie ebenfalls behauptet wird, oder Hobbygärtner zufriedener machen. Weshalb dann 40 Prozent der diesbezüglich Befragten sogar gemeint haben, dass es glücklicher mache als die Liebe, die dereinst vor allem zur Fortpflanzung der menschlichen Spezies diente. Wobei man letzteres heute unverblümter als Sex versteht.

All diese Aussagen können und dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass nicht nur im Garten oder auf einem Balkon, sondern auch auf einer Terrasse und in jedem Blumenkasten, also überall, wo Pflanzen wachsen, auch Krieg herrscht. Nämlich ein täglicher Kampf Mensch gegen Natur: Gegen Blattläuse, Nacktschnecken, Wühlmäuse, Apfelwickler, Dickmaulrüssler, Gallmilben, Zünsler oder Weiße Fliegen. Und das ist nur eine kleine Auswahl.

Ganz zu schweigen von zu großer Trockenheit, zu viel Regen, zu viel oder zu wenig Sonne und nervige Nachbarn, die gegen jedes Laubblatt allergisch sind oder permanent und ungefragt Ratschläge geben oder mit Erfolgen protzen.

Viel zu wenig wird beispielsweise auch berücksichtigt, dass insbesondere Gartenbesitzer, also die Eigentümer von handtuchgroßen Beeten bis hin zu veritablen Ländereien, spätes­tens ab April eines jeden Jahres unter massiven Schlafstörungen leiden. Ausgelöst von der Eigenart aller Schneckenarten, sich bevorzugt im Schutz der Dunkelheit über Pflanzen herzumachen.

Weshalb man dann zu nachtschlafender Zeit düstere Gestalten in Morgenmänteln und mit Taschenlampe bewaffnet durch die Gärten geistern sieht, um ihr mörderisches Handwerk zu verrichten. Was vielleicht just der Zeitpunkt ist, um den Ratschlag eines Profigärtners zu erwähnen. Er empfiehlt kochend heißes Wasser im Kampf gegen die Kriechtiere.

Und dann sollte man auch nicht vergessen, dass jedes knospende Pflänzlein, jeder Strauch oder Baum, Aussaat wie Ernte noch einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Effekt haben: Sie sind mit Arbeit verbunden. Weshalb es ja auch Gartenarbeit heißt. Was dann auch zu einem immer wieder aufflammenden Kampf mit dem sogenannten inneren Schweinehund führt.

Weshalb sich letztendlich die durchaus berechtigte Frage stellt, ob vielleicht der Grund dafür, dass sich bei 40 Prozent der Befragten beim „Garteln“ ein größeres Glücksgefühl eingestellt hat, nicht eher ein nachlassendes Interesse bei der oben erwähnten Alternative war.

pebe