Zum Tode von Carl Hierl, Ehrenbürger der Gemeinde Taufkirchen(Vils)

Es
gab wohl niemanden, der im letzten Jahrhundert die Geschichte Taufkirchens
mehr prägte als Carl Hierl. Am
Freitag, den 12. Dezember 2003 starb der Ehrenbürger der Vilsgemeinde
nach mehrwöchiger Krankheit. Taufkirchen (Vils) trauert um
eine Persönlichkeit, die ein bewegtes und erfülltes Leben
hinter sich hat.

Geboren wurde Carl Hierl am 25.11.1911 in Taufkirchen
(Vils) als Sohn von Karl und Maria Hierl, die ein Geschäft
für Sattlerei,
Polsterei und Wagenbau betrieben.

Von 1917 bis 1924 besuchte er
die Volksschule in Taufkirchen (Vils), anschließend ging
er drei Jahre zur Lehre als Sattler, Polsterer, Autolackierer und
Autosattler. Parallel dazu absolvierte er die
sog. Sonntagsschule. Beide Ausbildungen schloss er 1927 ab.

Carl
Hierl arbeitete danach als Gehilfe im elterlichen Betrieb. 1933
folgte die Meisterprüfung als Autosattler. Die Hauptarbeiten
im Betrieb waren zu dieser Zeit das Herrichten von Autos, Kutschen
und Fahrrädern. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg gab es erste
Ansätze einer serienmäßigen Herstellung von Polstermöbeln
und Matratzen, selbst mit Verkäufen nach Österreich.

1938
wurde Carl Hierl zum Militär als Autosattler eingezogen.
Zunächst war er in Österreich stationiert. Den Polen-Feldzug
erlebte er als Mitglied einer Werkstatt-Kompanie. Eine frühzeitige
Freistellung vom Wehrdienst im Dezember 1939 verdankte er seinem
Geschäft: Im Auftrag der Wehrmacht stellte er Matratzen, Brotbeutel,
Sattlerarbeiten, Rucksäcke u.ä. her.

Ein wichtiger Punkt
für die weitere berufliche Laufbahn von
Carl Hierl war die Ansiedlung der Blaupunkt GmbH in Taufkirchen
(Vils). Die Entwicklungsabteilung für Fernsehgeräte,
die sich zuvor im tschechischen Brünn befand, wurde aus Sicherheitsgründen
hierher verlegt. Carl Hierl nahm in Taufkirchen (Vils) Arbeiten
für die Firma Blaupunkt auf; insbesondere technische Teile
wurden produziert.

Dieser Betrieb plante nach Ende des Krieges,
den Stützpunkt
in Taufkirchen (Vils) groß auszubauen. Carl Hierl hatte sich
stark dafür eingesetzt und sah möglicherweise darin sogar
seine berufliche Zukunft. Das Vorhaben scheiterte jedoch vor allem
an der mangelnden Bereitschaft von Grundbesitzern, geeignete Flächen
zur Verfügung zu stellen.

Stammhaus der Familien Hierl und
Keilhacker

Nach dem Krieg war das
Stammhaus der Familie Hierl in der Landshuter Straße Hauptquartier
der Amerikaner für Taufkirchen
(Vils). Planen der US-Zelte waren das erste Material, aus dem
Carl Hierl Pferdedecken, Rucksäcke, Taschen und Handschuhe
fertigte. Flachs und Stroh der Bauern waren während des Krieges
an die Wehrmacht geliefert worden. Nun sammelte Carl Hierl dieses
Material,
gab es zu Spinnereien und ließ daraus die ersten Möbelstoffe
weben.

Noch vorhandene Blaupunktanlagen wie auch US-Bestände
ermöglichten
einen schwunghaften Tauschhandel. So wurde Alteisen für
Betriebsvorrichtungen umgerüstet, Schiffstaue aus Stahl
für die ersten Matratzen-Sprungfedern
umgebaut und aufgedreht und schließlich erhielt Carl Hierl
auch Aufträge von den Amerikanern für Einrichtungen
in Bayern.

Aus den Verbindungen zu Spinnereien und Webereien
ergab sich Kontakt zu einer Firma Laubmann in Hof, damals eine
der
größten
Webereien. Aus Furcht vor den Russen hatte man beschlossen, den
Betrieb zumindest teilweise von Hof nach Taufkirchen (Vils) zu
verlagern.

Carl Hierl erstellte für diesen Betrieb ein Fabrikgebäude
an der Landshuter Straße, in der die Firma Laubmann viele
Jahre produzierte – sozusagen das erste „Nachkriegs-Leasing-Modell“.
Er organisierte die Beschäftigten, damals überwiegend
Vertriebene, und besorgte Wohnungen. Diese Geschäftsverbindung
war auch deswegen interessant, weil damit Bezugsquellen für
Materialien zur Polstermöbel-Produktion erschlossen werden
konnten.

Durch viel Phantasie und Organisationstalent, Überzeugungskraft
und echten Unternehmergeist wurde somit in dieser Zeit die eigentliche
Basis für den späteren Aufbau des himolla-Werkes geschaffen.

Im
Jahre 1948 heiratete Carl Hierl seine Frau Elisabeth, geb. Keilhacker.
Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor. Sein Neffe
Hans Ascher
trat in die Firma ein und wurde später Mitglied der Geschäftsleitung.

1948
gilt auch als Geburtsstunde von himolla. In diesem Jahr wurde
die Carl Hierl GmbH mit den Gesellschaftern Carl Hierl,
seiner
Schwester Franziska Keilhacker und seiner Mutter Maria Hierl
gegründet.
Es folgte die dynamische und expansive Aufbauphase der Firma
mit den Baumaßnahmen auf dem ehemaligen elterlichen Betriebsgelände
im Ortszentrum an der Landshuter Straße. 1957 taufte Carl
Hierl das Unternehmen in „Himolla Polstermöbelwerk
GmbH“ um. „Himolla“ setzt
sich aus Teilen der Wörter „himmlisch“, „mollig“ und „angenehm“ zusammen.

1949:Aufbau
eines firmeneigenen Werksverkehrs

Ab 1958 begann Carl
Hierl mit der Verlagerung des Betriebes an den nördlichen
Ortsrand, wo sich der heutige Hauptsitz des Unternehmens befindet.
In dieser Zeit bis 1966 entstand unter seiner
Führung eines der bedeutendsten Polstermöbel-Unternehmen
Europas und einer der größten Arbeitgeber in der Region
mit bis zu 3.000 Beschäftigten und verschiedenen Zweigwerken.

Noch
heute profitiert das Unternehmen von den fortschrittlichen Ideen
Carl Hierls, vor allem in der Fertigungs-Technologie. Aus
handwerklichen Arbeitsvorgängen wurde Technik. Mit dem Erwerb
des Patents für den „Cumulus“ stieg die Firma
zum größten Hersteller von Fernsehsesseln auf. Kurze
Lieferzeiten und ein kundenorientiertes Fertigungssystem waren
Maximen von Carl Hierl. Dieses Denken zeichnet auch heute noch
die Stellung himollas am Markt aus. Als einer der ersten deutschen
Möbelhersteller war das Unternehmen schon in den 50er und
60er Jahren stark exportorientiert.

Der expansive Unternehmergeist
Carl Hierls hatte aber auch zu einer Überforderung
der finanziellen Möglichkeiten des Unternehmens geführt
– mit der Konsequenz, dass er im Jahre 1966 aus der Geschäftsleitung
ausschied und auch seine Firmenanteile nach und nach abgeben musste.

Im
gleichen Jahr verstarb seine Frau Elisabeth. Damit traf ihn auch
privat ein schwerer Schicksalsschlag.

Nicht nur unternehmerisch
war Carl Hierl eine herausragende Persönlichkeit.
Sein großes soziales Engagement und seine zutiefst christliche
Lebenseinstellung halfen einer Unzahl von Institutionen, Vereinen
und Menschen. Erwähnenswert ist insbesondere die Integration
vieler Heimatvertriebener nach dem Krieg durch die Schaffung von
Arbeitsplätzen.

Carl Hierl lag auch stets sehr am Herzen, dass
Wohnraum für
seine Beschäftigten geschaffen wurde. Der Bau einer ganzen
Werkssiedlung und mehrerer Wohnblocks in Taufkirchen (Vils) ist
hier zu nennen. Viele kommunale Einrichtungen in Taufkirchen (Vils)
wären ohne seinen finanziellen und ideellen Beitrag undenkbar
gewesen, so z.B. das Waldbad, aber auch die Errichtung einer Realschule.

Für
die sportlichen und kulturellen Institutionen himollas war er Mentor
und Förderer. Viele Jahre wirkte er beim Wirtschaftsbeirat
der CSU mit.

Immer gelang es Carl Hierl, die Menschen zu überzeugen
und für sich und seine Ideen zu gewinnen, Risiko auf sich
zu nehmen und unkonventionelle Wege zu gehen. Er schonte dabei
weder sich
noch seine Familie. Der persönliche Wohlstand war ihm nicht
wichtig, denn er arbeitete, lebte und traf seine Entscheidungen
immer für übergeordnete Interessen und um der Sache selbst
willen.

Nach einem Zwischenspiel von einigen Jahren, in denen
er ein ehemaliges Zweigwerk von himolla in Eschenbach/Oberpfalz übernahm
und dort Kastenmöbel produzierte, baute er in Taufkirchen
(Vils) in seinem ihm von himolla zur Verfügung gestellten
Wohnbereich ein Geschäft für Blumen, Keramik und Holzschnitzkunst
auf, das er bis wenige Monate vor seinem Tod mit nimmermüdem
Einsatz selbst führte.

Auch hier sah er seine primäre
Aufgabe darin, den Menschen mit Blumen und Kunstartikeln Freude
zu bereiten. Kein Verein, keine
Institution, die nicht durch großzügige Sachspenden
von ihm unterstützt wurden.

Jährlich im Advent stand die
Christbaum-Aktion im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Sie erbrachte
immer wieder hohe Beträge
für gute Zwecke. Dafür wurde ihm auch öffentliche
Anerkennung und Dank von Staat und Kirche zuteil.

Carl Hierls Leben
war von Höhen und Tiefen geprägt. In
Erinnerung bleiben seine weit über die Grenzen Taufkirchens
hinaus wirksame Hinwendung zu den Menschen, sein Vorbild als Mensch
und Christ, als sozial engagierter Unternehmer und seine Aufbauleistung
für die Firma himolla und die Region Taufkirchen(Vils).

Die
Gemeinde Taufkirchen(Vils) verlieh ihm dafür im Jahre
1978 die Ehrenbürgerwürde.

Mit Carl Hierl verliert der
Ort einen großen Sohn.

ABSCHIED: Carl Hierl und seine Schwester
Franziska Keilhacker († 2002)
beim Festzug zur 50-jährigen Gründungsfeier von himolla
im Jahr 1998.


Gib uns deinen Frieden, Herr,
an dem Tag, der keinen Abend kennt!

Augustinus

Tief bewegt nehmen wir Abschied von

Carl Hierl

Ehrenbürger der Gemeinde Taufkirchen(Vils)

der
im Alter von 92 Jahren verstorben ist.

Als Gründer des Polstermöbelwerkes
himolla hat der Verstorbene durch seinen einzigartigen Unternehmergeist
den heutigen Wirtschaftsstandort Taufkirchen(Vils) geprägt.
Mit hohem Verantwortungsbewusstsein und voller Engagement
hat er sich zeitlebens stets für das Wohl seiner Mitmenschen
eingesetzt. Seine menschliche und herzliche Art sowie sein
tiefer Glaube zeichneten ihn aus. Nächstenliebe, Demut
und Bescheidenheit bestimmten sein Leben.

Die Gemeinde Taufkirchen(Vils)
trauert um eine große Persönlichkeit.

In Dankbarkeit nehmen wir Abschied. Wir werden
dem Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren. Seiner Familie
gilt unsere tiefe Anteilnahme.

Gemeinde Taufkirchen(Vils)

Franz Hofstetter,
1. Bürgermeister