VIP des Monats September: Ludwig Tafelmayer

Als
„Detektiv des Gewesenen“ hat ihn die Süddeutsche
Zeitung einmal bezeichnet; man kann getrost einen Schritt weitergehen
und ihn als das Gedächtnis Taufkirchens bezeichnen – ohne ihn
wüssten wir wohl bei weitem nicht so genau und umfassend, was
hier, an diesem Ort früher alles geschehen ist. Ludwig Tafelmayer,
geb. 1936, war Industriepolsterer, Journalist, für das Haus
der Kunst und das Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München
tätig, und unser Taufkirchener Archiv kann man getrost als
sein Lebenswerk bezeichnen.

Im Gegensatz zu seinem Bruder, der ein guter Schüler
war, später im Fach Geschichte promovierte und Direktor des
Käthe-Kollwitz-Gymnasiums in München wurde, verlief seine
Schullaufbahn seinen Worten zufolge nicht so erfolgreich. Archivar
zu sein bedeutet aber, über Fachwissen zu verfügen und
wissenschaftlich arbeiten zu können. Das alles hat er sich
in einem mühevollen und arbeitsintensiven Prozess selbst beigebracht.

Ein Archiv gründen, aufbauen und verwalten bedeutet
eine Vielzahl von Fähigkeiten und Techniken „drauf“
zu haben: Forschen, recherchieren, systematisieren, restaurieren,
organisieren, vernetzen, präsentieren, lesen, schreiben, reden,
zitieren – um nur einige zu nennen. Und sammeln natürlich –
das allerdings hat Ludwig Tafelmayer praktisch schon in die Wiege
gelegt bekommen.

Er hat nicht nur bewahrt, was schon da war. Er hat
vieles Interessante wiedergefunden, neue Zusammenhänge geknüpft
und Neues entdeckt. Diese Arbeit war stets vielseitig, spannend,
aber sicher auch manchmal trocken, anstrengend. Vor allem verlangt
sie ein enormes Maß an Selbstdisziplin – wer hier schludert
und liegen lässt, findet sich bald im Chaos wieder.

Unterstützt wurde er, und das ist ihm wichtig
zu erwähnen, von Johann Reil und Jakob Jell, was den geologischen
Aspekt betrifft. Ansonsten stand ihm Therese Stanggassinger stets
zur Seite, wenn es um die Bewältigung der vielen Ordnungsarbeiten
ging. Aber auch viele Taufkirchener Bürger, wie Ludwig Moser,
Elisabeth Eibl, Willhelm Schroth, Irmgard Riegger, Josef Heilmaier
und Jakob Geiselbrechtinger standen ihm aktiv zur Seite, gaben Zeit
und Energie, um dieses Langzeitprojekt zu verwirklichen.

Ludwig Tafelmayer gehört zu den Menschen, die
sich vornehmlich durch ihre Leistung, ihr Fachgebiet definieren
und den Rummel um die eigene Person weniger schätzen. Weit
über dreißig Jahre seines Lebens hat er in die Geschichte
Taufkirchens investiert, zahlreiche Beiträge von ihm wurden
in Zeitungen und Büchern veröffentlicht, und er ist bei
seinem Engagement sogar so weit gegangen, dass er die erhaltenen
Tantiemen stets weiter an die Gemeinde überwiesen hat.

Ein bereits arg verwittertes Gedenkkreuz ließ
er 1987 renovieren, auf eigene Kosten, und über fast den gesamten
Zeitraum seines Schaffens hat er keine Mark von der Gemeinde verlangt.
Manchmal sinniert er schon darüber, ob das immer richtig war,
denn in unserer kapitalistischen Welt ist manchmal nur das etwas
wert, was auch etwas kostet. Aber so ist er halt, das weiß
er selbst und verantwortet es auch.

Im Moment befindet sich Ludwig Tafelmayer im Übergang
in eine neue Phase seines Lebens, in der das Archiv nicht mehr eine
so zentrale Rolle spielt. Auch das Abgeben will gelernt sein. Auf
jeden Fall möchte er später sagen können, er habe
sein Feld wohl bestellt. Seinen Nachfolger Roland Wolf will er,
so professionell und gründlich es möglich ist, in die
Materie und die Bestände des Archivs einführen und wird
ihm mit Sicherheit auch in Zukunft tatkräftig zur Seite stehen.

Was sein Werk war und ist, lässt sich schwer in
Heller und Pfennig beziffern – auf ideeller Ebene jedenfalls ist
sie nahezu unschätzbar. Denn nur wer weiß, woher er kommt,
kann begreifen, wohin er geht – an diese Weisheit erinnert uns die
Zeitgeschichte laufend, in diesen Tagen allerdings auf sehr brutale
Art … (jh)