Schein-Heiliger Sankt Bürokrazius

Es war naheliegend. Als man die ersten Male von der Forderung
nach einem schlanken Staat hörte, dachten viele Menschen in
unserem Lande sofort an den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl.
Inzwischen wissen wir insbesondere auch durch eigenes Erleben,
dass nicht an eine Diät
für diesen ja leicht barocken Liebhaber von pfälzischem Saumagen
gedacht war, sondern an einen dringend notwendigen Bürokratieabbau.
Also einerseits eine Straffung im Bereich der Ämter und Behörden,
und andererseits natürlich auch an ein „Auslichten“ oder
besser noch einen Kahlschlag bei Vorschriften und Gesetzen.

Seitdem sind einige Jahre ins Land gegangen und es wurde sogar auf
Bundesebene ein entsprechendes 54-Punkte-Programm verabschiedet. Doch
nicht nur Helmut Kohl hat sein Gewicht gehalten, auch der einfache Bürger
wie Sie und Er merkt immer noch relativ wenig von einer „Diät“.

Das kann auf jeden Fall bestätigen, wer beispielsweise einmal
den Fehler gemacht hat und Erziehungsgeld beantragte. Vielleicht sogar
– und um Zeit zu sparen – im Internet. Es soll Menschen geben, die sich
ernsthaft überlegt haben, ihren Jahresurlaub dafür zu opfern.

Gleichzeitig widerlegt der immer noch korpulente Staat mit seiner Bürokratie,
deren Kosten auf jährlich annähernd 45 Milliarden Euro geschätzt
werden, ein immer noch gerne verbreitetes Vorurteil. Dass nämlich
Empfänger von so genanntem Hartz IV, dem nicht mehr ganz so neuen,
aber angeblich immer noch zeitgemäßen Arbeitslosengeld, einfach
nur nicht genügend motiviert wären, um zu arbeiten.

Denn, so lautet die immerwährende Stammtischparole, wer arbeiten
will in deutschen Landen, der kann auch. Und man kann nur sagen: Wer
Hartz IV will, der muss das auch. Ein gängiger Hartz IV-Antrag besteht
nämlich aus nicht weniger als sechs Seiten, außerdem den Zusatzblättern
1, 2.1, 2.2, 3 und 4 und den Zusatzblättern „Ärztliche
Bescheinigungen“, „Sozialversicherung“ und „Unfallfragebogen“.

Da ist alleine schon die Aufzählung der erforderlichen Unterlagen
schweißtreibend. Und dabei ist noch nicht einmal bedacht, dass
bei der Fülle der anzugebenden Daten vorausgesetzt werden kann,
dass immer mindestens eine Angabe nicht richtig oder nicht vollständig
ist, weshalb mindestens ein weiteres Vorsprechen wenn nicht sogar mehrere
und damit verbundene Fahrten zur zuständigen Event-Agentur notwendig
werden. Und das in Zeiten, wo jedes Gramm CO2 schwer wiegt, wie Bundeskanzlerin
Angela Merkel allenthalben anmerkt.

Weshalb sich dann bei näherem Hinsehen eine überraschende
Erkenntnis einstellt. Das alles ist gewollt. Das ist keine Schikane,
sondern dient nur der Sanierung des Haushalts. Denn viele Menschen verzichten
auf staatliche Leistungen oder andere Anträge, weil sie vor dieser
Bürokratie kapitulieren, bevor der ungleiche Kampf überhaupt
erst so richtig angefangen hat.

Zwar gibt es darüber noch keine fundierten Statistiken, aber es
soll nicht wenige Mitbürger geben, die lieber ausgewandert sind,
um nicht das oft aussichtslose Ringen mit Anträgen und Formularen
und den zuständigen Beamten und anderen Staatsdienern aufnehmen
zu müssen. Wie pflegt man in Bayern in solchen Fällen zu sagen:
Ja Hund san‘s scho!

pebe