Die neue Leichtigkeit

Die Schlagzeilen sind inzwischen zwar schon wieder andere. Aber
ein Ereignis, das in engstem Zusammenhang mit der Fußball-WM
2006 steht, ist es auf jeden Fall wert, noch einmal erwähnt
und betrachtet zu werden. Und das vor allem auch, weil die Auswirkungen
noch immer zu spüren sind.

Das „Wunder von Bern“,
das war zwar der Weltmeistertitel für die damalige deutsche
Fußball-Nationalmannschaft.
Doch das Wunder von Berlin und der ganzen WM 2006, das ist ein
Imagewandel, der eine ganze Nation, ganz Deutschland betrifft.
Hatte man nicht noch vor der WM immer wieder Deutschland im Ausland
als den Weltmeister des Griesgrams, der Depression, des Pessimismus
gesehen? War man sich nicht sogar in deutschen Landen Partei- und
Gesellschaftsschichten übergreifend darin einig, dass die
Aussichten düster, ein Aufschwung nicht in Sicht und eigentlich
sowieso alles ziemlich schlimm sei? Und hatten nicht nur Kabarettisten
den Eindruck, dass kaum ein Gesicht diese ausgeprägte Seelenverwandtschaft
mit akribischer Schwarzmalerei so gut wider zu spiegeln schien,
wie das unserer Bundeskanzlerin?

Und jetzt? Nicht nur, dass Angela
Merkel wie ein echter 60-ger Fan die Tore bejubelte und Franz „den
Kaiser“ Beckenbauer
abknutschte. Nein, auch jetzt noch zaubert jedes Erscheinen von
ihr auf dem Bildschirm Sonne in die Wohnstuben, dank ihres Lächelns,
ihrer gelassenen Heiterkeit. Ganz zu schweigen von einem moralisch
geradezu bedenklich gewordenen Flirtfaktor.

Was ist geschehen?
Eigentlich nicht mehr und nicht weniger, als dass uns Klinsis
Buben gezeigt haben, dass enorm viel möglich
ist! Wenn man es will und einen Trainer hat, der von kalifornischer
Sonne beschienen ist. Und dass die Vergnügungsindustrie
erkannt hat, dass Fußball nicht nur in einem Stadion stattfinden
muss. In Deutschland haben dank der unzähligen Fan-Meilen
viele Menschen erst durch diese WM gemerkt, dass es viele andere
Menschen gibt, mit denen man richtig abfeiern kann. Und das sogar,
wenn diese anderen Menschen gar nicht aus Deutschland stammen.

Und
dann die Fahnen! An Autos, Fenstern und im Vorgarten. Schwarz-Rot-Gold
auf der Backe, auf der Stirn und mitunter sogar auf Körperstellen,
die ansonsten ganz andere Botschaften transportieren. Und es
durfte sogar gemischt werden. Links Deutschland, rechts Brasilien
oder Frankreich. Oder eine andere Flagge.

Bei dieser WM wurden
türkische Autos mit deutschen Flaggen
gesichtet. Ein Lehrer, der bei einem Tor für Deutschland
einen Schüler umarmte. Ein Radrennfahrer, der seine Tour
unterbrach, um vor einem der zahlreichen Lokale, die Bildschirme
aufgestellt hatten, das Geschehen auf dem grünen Rasen zu
verfolgen. Und nicht irgendwo in den Metropolen, sondern hier
bei uns zwischen Vils und Sempt.

Und da staunten natürlich
auch unsere direkten oder etwas weiter entfernten Nachbarn. Dass
Deutschland so frisch, fromm, fröhlich feiern kann, das
hätte man in Italien ebenso
wenig vermutet wie in Portugal oder Argentinien. Höchstens
auf Mallorca. Und spätestens als die deutsche Nationalmannschaft
durch einen Moment der Unachtsamkeit von der Straße des
Erfolges abkam, wurde klar, was das einfache Geheimnis dieser
Euphorie, der Feierlaune, der unbeschwerten Fröhlichkeit
war: Gutes Wetter und Erfolg, also Glück und Einsatzwille.
Darüber
sollte man einmal nachdenken.

pebe