Wie wird BSE übertragen und verbreitet?

Da beim Rinderwahn und der Schafkrankheit Scrapie ein ähnliches Erscheinungsbild vorliegt, ging man zunächst davon aus, dass BSE in England durch Verfüttern von Tiermehl, infiziert mit Scrapie-Erregern erkrankter und getöteter Schafe, wie erwähnt entstanden und weiter verbreitet worden war. Da in Großbritannien bei der Tiermehlherstellung seit 1980 sowohl Erhitzungstemperatur als auch Erhitzungsdauer aus Kostengründen reduziert wurden, nahm man an, dass Tiermehl ab dieser Zeit verseucht war. (Die Denaturierung krankhafter Prionen, d.h. das Aufbrechen ihrer defekten Struktur ist erst bei Temperaturen über 133 °C und einem Druck von mindestens 3 bar über einen Zeitraum von mindestens 20 Minuten möglich.)

Da auch verendete Kühe zu Tiermehl verarbeitet wurden, ist die seuchenartige Ausbreitung auf der Insel erklärbar: Je mehr an BSE erkrankte und verendete Tiere zu Tiermehl verarbeitet wurden, desto stärker war es mit Erregern verseucht. Aus Labortests bei Rindern weiß man inzwischen, dass bereits der einmalige Verzehr von 0,1g BSE-infiziertem Hirn – darin sind immerhin etwa 100 Millionen defekte Prionen enthalten – zur Ansteckung führt. Bei der Übertragung durch Nahrungsaufnahme können die Erreger über den Magen/Darmtrakt ins Blut und von dort über das Rückenmark ins Gehirn gelangen.

1988 wurde in Großbritannien die Verfütterung von Tiermehl an Wiederkäuer verboten, nicht aber die Herstellung und der Export. Wegen der langen Inkubationszeit von BSE (Dauer zwischen Ansteckung und Ausbruch der Krankheit) von etwa 2 bis 14 Jahren erreichte die Seuche in England zeitverzögert ihren Höhepunkt in den Jahren 1992/1993 mit 37.000 bzw. 35.000 jährlichen Erkrankungen. Danach nahmen die Zahlen ab. Im Jahr 2000 wurden noch 1326 Fälle registriert (siehe
Grafik).

Auch in der Schweiz (ab 1990), Portugal und Frankreich trat BSE bei Rindern auf (siehe Tabelle). Deshalb wurde 1994 von der EU europaweit eine Verfütterung von Tiermehl an Wiederkäuer untersagt.

Registrierte BSE- und nvCJK-Fälle in Europa
(Stand 15.02.2001)

Land BSE-Fälle nvCJK-Fälle
Belgien 22
Dänemark 3
Deutschland 29
Frankreich 257 2
Großbritannien 180.778 94
Irland 614 1
Italien 3
Lichtenstein 2
Luxemburg 1
Niederlande 9
Portugal 503
Schweiz 366
Spanien 12

Inzwischen sind jedoch europaweit auch bei Rindern, die nach den jeweiligen Verfütterungsverboten von Tiermehl an Wiederkäuer geboren wurden, Fälle von BSE aufgetreten – seit 24. November 2000 auch in Deutschland. Eine Verunreinigung von Rinderfutter durch Tiermehl, das bis dahin weiter an Schweine und Hühner verfüttert werden durfte, ist nicht auszuschließen. Deshalb wurde 3 Tage später (!) ein Eilgesetz in den Bundestag eingebracht und am 30. November verabschiedet, das die Verfütterung von Tiermehl generell verbietet.

Man vermutet jedoch noch andere Übertragungswege. So fanden deutsche Tierärzte Prionen in Milchersatzstoffen für die Kälberzucht. Diese sogenannten Milchaustauscher wurden bis 1997 auf der Basis von Rinderfett aus der Tierverwertung hergestellt, das Nervengewebe enthalten kann.

Ein weiterer Verdacht: Gemäß der deutschen Düngemittelverordnung dürfen organische Düngemittel Tiermehl enthalten. Auch so könnten Rinder mit BSE-verdächtigen Stoffen in Kontakt gekommen sein – ohne aus verdächtigen Beständen zu stammen und ohne je mit Tiermehl gefüttert worden zu sein. Das könnte vor allem im Hinblick auf festgestellte Erkrankungen beim Menschen von Bedeutung sein.

Es gibt auch Hinweise darauf, dass der Ausbruch von BSE bei Rindern zumindest begünstigt wird durch Insektenvertilgungsmittel (Organophosphate), die insbesondere in England, aber auch in der Schweiz großflächig zur Bekämpfung der sogenannten Dasselfliege eingesetzt wurden. Dasselfliegen sind Parasiten, die bevorzugt Rinder und Pferde befallen. Englische Wissenschaftler fanden heraus, dass das Insektenvernichtungsmittel Phosmet zu einem Anstieg der Prionenzahl führt und damit ein größeres Risiko für den Ausbruch von BSE darstellt.

Festzustehen scheint, dass Tiermehlverfütterung an Rinder der Hauptübertragungsweg von BSE in England war. Das Ausmaß der Epidemie im Vergleich zu Kontinentaleuropa (siehe Tabelle „registrierte BSE- und nvCJK-Fälle in Europa“), wo Wiederkäuer noch jahrelang Tiermehl auch aus britischen Exportbeständen ins Futter bekamen,
lässt jedoch den Schluss zu, dass man es in England mit einer Verkettung mehrerer Ursachen für die Entstehung und Ausbreitung des Rinderwahns zu tun hatte.
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