Einheimische Metzger

Einige Tage vor dem Treffen mit den Landwirten waren die gemeindeansässigen Metzger ins Rathaus eingeladen. Auch sie machten deutlich, dass sie zur Zeit arg gebeutelt werden. Dass die Situation brenzlig ist, erfuhr man gleich nach der ersten Frage: Von 70% Umsatzeinbuße bei Rindfleisch war übereinstimmend die Rede. Den allgemeinen Vorwurf, bei der Fleischverarbeitung werde geschlampt, wollen sie nicht auf sich sitzen lassen. Seit Jahren sei in handwerklichen Betrieben vom schonenden Tiertransport bis zur fachgerechten Zerlegung alles darauf ausgerichtet, eine gute Fleischqualität zu erzielen. Nicht zuletzt deshalb, weil sie sich nur auf diesem Weg von den Billigangeboten der Supermärkte abheben können.

Einige Vorsichtsmaßnahmen gegen BSE wandten die einheimischen Metzger lange vor ihrer verordneten Einführung an, so zum Beispiel die Beseitigung von Risikomaterial. Auch jetzt spielen sie eine Vorreiterrolle. So beschloss die Erdinger Metzgerinnung Anfang Februar folgendes
5-Punkte-Programm zum Verbraucherschutz:

1. Alle Innungsmitglieder lassen Schlachtrinder, die älter als 13 Monate sind, auf BSE testen. (Anmerkung: Testmethoden, die auch für Tiere in diesem Altersbereich sichere Aussagen ermöglichen, sind für die nahe Zukunft angekündigt). Nicht selbstschlachtende Betriebe beziehen ausschließlich BSE-getestetes Rindfleisch.

2. Alle Metzgereien wenden eine neue Schlachttechnik an, bei der die Wirbelsäule unbeschädigt bleibt. Eine Verunreinigung von Muskelfleisch, das als BSE-frei gilt, mit dem Risikomaterial Rückenmark wird somit ausgeschlossen.

3. Schweine- und Schweinefleischlieferanten müssen eine Garantieerklärung abgeben, dass auf unerlaubten Arzneimitteleinsatz und auch erlaubte Antibiotikazusätze in Masthilfsmitteln verzichtet wird.

4. Einhaltung sämtlicher gesetzlicher Vorschriften; dazu gehören Stichprobenuntersuchungen der Schlachttiere auf Rückstände (Arzneimittel, Hormone, Pestizide), Genusstauglichkeitsbescheinigung des amtlichen Tierarztes vor dem Verkauf des Fleisches, Zusatzstoffliste, die in jeder Metzgerei aufliegt.

5. Keinerlei Verwendung von Separatorenfleisch; keine Verwendung von Hirn, Augen und weiterem Risikomaterial (als Hinweis: Beides war in der handwerklichen Wurstherstellung noch nie üblich).

Dass sich alle Vorsichtsmaßnahmen im Preis niederschlagen werden, ist vorauszusehen. Die einfache Formel „teuer = gut“ ist aber noch keine Garantie für eine Einhaltung. Kontrollen schützen am ehesten vor schwarzen Schafen.

Auch hier sind die kleineren Handwerksbetriebe beispielhaft, wie beim Gespräch mit den Metzgern zu erfahren war. Schlachthöfe sind schwerer zu kontrollieren und werden von Testern selten unangemeldet besucht. Kontrolleure sollten unabhängig sein und keiner Behörde unterstehen, die ein wirtschaftliches Interesse an einem bestimmten Ergebnis hat. Wenn die Fleischindustrie ihre eigenen Leute überprüft, kann man kaum von einer vertrauensbildenden Maßnahme reden.

Das Thema BSE ist deshalb so problematisch, weil es um unser Leben, unsere Gesundheit geht. Deshalb sei es auch erlaubt, ein paar Überlegungen in anderer Richtung anzustellen: In der medizinischen Versorgung gibt es eine Honorarordnung für Ärzte, festgeschriebene Preise für Arzneimittel. Auch die Ernährung gehört zum Gesundheitsbereich. Es wäre durchaus vorstellbar, etwa bei Preisbindung und Kontrolle ähnlich zu verfahren wie in der Medizin. Das entläßt die Erzeuger nicht aus ihrer Pflicht. Aber das Handeln wird nicht mehr ausschließlich durch den freien Markt bestimmt.

Beim Thema Marktwirtschaft spielt auch der Verbraucher, der vor den Gefahren durch BSE geschützt werden will und muss, eine entscheidende Rolle. Abgesehen von der politischen Forderung, die landwirtschaftlichen Erzeuger sollten zu Weltmarktpreisen und ohne Subvention produzieren, verlangt der Kunde an der Fleischtheke immer niedrigere Preise bei möglichst steigender Qualität. Dass bei einem Kilo Suppenfleisch für 4,99 Mark etwas nicht stimmen kann, zumindest was die Herkunft betrifft, wenn schon der einheimische Schlachtviehpreis 20 oder 30 Prozent höher liegt, ist offensichtlich. Der Verbraucher muss also bereit sein, für seine Sicherheit etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Wie weit diese Erkenntnis bisher fortgeschritten ist, kann an einer Meldung vom 2. Februar abgelesen werden:

Mit Rindfleisch zum halben Preis hat ein Metzger im schwäbischen Rain am Lech sein Geschäft wieder auf Hochtouren gebracht. Wie Metzger Ambrosius Stöckle erklärte, hatte er wegen der BSE-Krise nicht einmal mehr ein Viertel der früheren Menge verkauft. Darauf habe er eine Aktion gestartet: Rinderbraten für 7,90, Rouladen für 8,80 und Filet für 24,50 Mark. „Es war überwältigend!“ berichtete
Stöckle. Am ersten Tag seien die Kunden schon frühmorgens gekommen. Sein Vakuumkühllager sei inzwischen leer, und statt fünf schlachte er 13 Rinder pro Woche.

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