Ausgabe 09/2021| 30. September 2021
Rupprecht Geiger
Natürlich wurde und wird auch in dieser und einer früheren Kompass-Ausgabe ausführlich darüber berichtet, dass sich heuer die Geburtsstunde des heutigen kbo-Isar-Amper-Klinikums Taufkirchen (Vils) zum 100. Mal gejährt hat. In den Anfängen noch als Landarmenanstalt fungierend, haben sich im Lauf dieser 100 Jahre allerdings nicht nur die Bezeichnungen, Auftrag und Ausrichtung ganz gravierend verändert, hin zu einer Einrichtung, die eine zentrale Funktion in der psychiatrischen Versorgung der Region erfüllt.
In direkter Nachbarschaft zu einem veritablen Wasserschloss wurde insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem zumindest auf einer alten Fotografie düster wirkenden Areal der früheren Jahre eine eher parkähnliche Anlage, in die heute die Gebäude des Klinikums eingebettet sind. Was durchaus auch inspirierend gewirkt hat, denkt man an die Anfänge von Jazz im Park, an die Präsentation von Skulpturen und Installationen im Grünen, die sich teilweise aus Arbeiten von Therapiegruppen rekrutierten, aber auch von Künstlerinnen und Künstlern von „draußen“ stammten.
Eine davon ist ein fester Bestandteil des Parks und im weitesten Sinne auch Symbol für die veränderte Ausrichtung des Klinikums geworden. Passiert man nämlich die westliche Pforte, lässt das Wasserschloss trotz des inzwischen dort ansässigen Restaurants einmal rechts liegen und folgt den Baum bestandenen Wegen Richtung Osten, so kommt man zu einem auf den ersten Blick eher schwer einzuordnenden, massiven Gebilde aus Beton. Gut zwei Meter hoch, verbindet es die klare gerade Linie eines nach einer Seite offenen Rechtecks mit einem versetzten, gleich langen und gleich hohen angeschnittenen Oval.
Der 1908 geborene Münchner Architekt, Maler und Bildhauer Rupprecht Geiger hat diese begehbare Plastik 1990 geschaffen, und wer sie betritt, also plötzlich von den in kräftigem Rot gehaltenen Innenwänden umgeben ist, bekommt wohl eine Ahnung, warum Geiger sie „Meditationsraum“ nannte. Und vor allem auch, warum für Geiger, dessen Lebenslauf mitunter durchaus gewisse Parallelen mit der Entwicklung des heutigen Klinikums aufweist, die Farbe so eine elementare Bedeutung hatte.
So hat er 1998 einmal geschrieben: „Rot: Die Farbe der Potenz. Rot ist geballte Energie und manifestiert sich im Glutrot der untergehenden Sonne. Die Macht der Roten Farbe: eine geistige Kraft ist sie.“ Geiger, vor allem Maler wie sein Vater, begann seine künstlerische Laufbahn als Autodidakt, wandte sich nach den Anfängen als sogenannter Kriegsmaler im Zweiten Weltkrieg nach 1945 den geometrischen Formen und monochromen Farben zu, war Mitbegründer der Münchener Künstlergruppe ZEN49 und reüssierte spätestens nach seiner ersten Teilnahme an der 6. documenta in Kassel als Vertreter der gegenstandslosen Malerei auch über Bayern hinaus und international.
Doch auf dem Areal des Klinikums erinnert nicht nur der „Meditationsraum“ an diesen 2009 verstorbenen Künstler und die an diesem Ort erfreulicherweise praktizierte Nähe zur Kunst. Vor drei Jahren gab es die „Seltene Gelegenheit“, wie eine Tageszeitung titelte, diverse Grafiken von Rupprecht Geiger im Casino und in der Bibliothek der kbo zu bewundern.
Das Motiv für einen Besuch sollte allerdings nicht sein, eine psychische Störung behandeln zu lassen. Arbeiten von Rupprecht Geiger kann man ansonsten auch im Archiv Geiger in München-Solln sehen.
pebe