Ausgabe 09/2020| 24. September 2020
Ja – aber …
Gefragt, ob mir zu dieser Thematik etwas einfallen könnte, habe ich natürlich sofort „Ja“ gesagt. Aber … gleich hinzugefügt, dass es sicher nicht einfach sei, weshalb ich vielleicht etwas mehr Zeit benötigen würde als sonst üblich. Ich habe also so reagiert, wie der Großteil der Menschen, wenn sie zum Beispiel gefragt werden, wie es ihnen geht.
Jetzt könnte man sich natürlich nahtlos bei den derzeit besonders umtriebigen Dauernörglern und Nonstop-Kritikern mit dem oft nicht eingehaltenen Sicherheitsabstand einreihen. Und lautstark monieren und pauschalieren, dass eben die Menschheit immer weniger in der Lage wäre, einfach mal die Wahrheit und das Richtige zu sagen und deshalb verbal so rumeiern würde.
Aber man kann ja ruhig auch erst mal einen Feldversuch starten. Und da wird es aller Erfahrung nach nicht lange dauern, bis dieses „ja – aber“, dieses doppelte Lottchen der ungezwungenen Konversation, diese beiden Geschwister der höflichen Unterhaltung, auf den Plan gerufen werden. Fragen zu politischen Themen bieten sich dafür besonders an. Oder auch Glaubensfragen.
Doch selbst der ganz gewöhnliche Alltag hält jede Menge Anlässe bereit, um auf eine Frage als Antwort dieses legendäre „Ja – aber“ serviert zu bekommen.
Natürlich soll an dieser Stelle nicht in Frage gestellt werden, dass diese eindeutige Zweideutigkeit nicht selten seine Berechtigung hat. Wissen wir doch durch unzählige Gelegenheiten und Situationen, dass es eben oft kein simples Schwarz/Weiß gibt, kein rigides entweder/oder möglich ist. Weshalb eine eindeutige Position in weiter Ferne und somit für die oder den Befragten gerade nicht in Sichtweite ist.
Und außerdem ist es ja wirklich eher ein Ding der Unmöglichkeit, auf die häufige Frage, ob es einem gut gehe, nur mit einem kurz angebundenen „Ja“ zu antworten. Fühlt sich dies doch eher wie eine Unhöflichkeit an, mit der das weitere Gespräch abgewürgt wird. Denn erst das „aber“ führt dann zu einem mitunter auch etwas längeren Gedankenaustausch.
Der die Gelegenheit bietet, das Rückenleiden einzugestehen, große Bedenken wegen der aktuellen Infektionszahlen oder eine Schlafstörung. Man kann also ruhig sagen, dass dieses „ja – aber“ eigentlich ausgesprochen kommunikationsfreundlich und beziehungsförderlich ist. Und dieser Satz außerdem den Nachweis erbringt, dass „eigentlich“ eine gerne benutzte Kurzform von „ja – aber“ ist.
Womit vielleicht eine Erklärung für dieses sprachliche Phänomen, für diese Entscheidung zur Unentschlossenheit gefunden wäre. Denn es ist ja einerseits eine durchaus lobenswerte Eigenschaft, eine eindeutige Position einzunehmen. Prägnant und präzise und eindeutig auf eine Frage zu antworten.
Doch wirklich gesprächsfördernd ist letztendlich dann das „aber“. Erst daraus entsteht der Gesprächsstoff, der die Stunden verrinnen lässt. Der Aufklärung bringt und Erklärungen. Also eigentlich mehr aussagt, als eine eindeutige Antwort ohne wenn und aber. Und der oder dem Fragenden nicht selten sehr viel mehr Informationen beschert, als sie oder er jemals angedacht hatte.
Ja – es kann manchmal fast ein bisschen zu viel sein. Aber – gerade in diesen Zeiten des Abstandnehmens ist es besonders wichtig, miteinander im Gespräch zu bleiben.
pebe