Es ist immer wieder bewundernswert und bisweilen auch
erschreckend, wie sich altes Brauchtum lebendig hält und scheinbar
neue Bräuche eigentlich nur die alten sind. Da lebt man in
dem Glauben, sich einmal mehr und berechtigterweise über eine
Mode aus den USA aufregen zu können. Und was stellt sich
heraus? Sie wurde weder in Hollywood noch bei den Märchenonkeln
in Washington erfunden, sondern ist nur die Wiederbelebung eines
wirklich uralten weil keltischen Brauchs.
Die Rede ist natürlich
von Halloween – allerspätestens
seit John Carpenters Horror-Grusel-Schocker „Nacht des Grauens“ auch
Kinobesuchern bekannt und für einheimische Bauern ein Quell
der Freude, weil endlich mal ein Absatzmarkt für heimische
Kürbisse gefunden ist.
Der Tag vom 31. Oktober auf den 1. November
war schon fester Bestandteil im Terminplan von Druiden und gewöhnlichen
Kelten; hier wurde der Abschied vom Sommer und der Beginn der Winterszeit
gefeiert
und damit die Herrschaft des Todesfürsten Samhain.
Doch während
man ursprünglich glaubte, dass sich an diesem
Tag Tote einen menschlichen Körper suchen, was dann im 20.
Jahrhundert zur Erfindung der Reinkarnation führte, konnten
sich die Iren später mit diesem Gedanken nicht so recht anfreunden.
Weshalb sie sich lieber verkleideten und schreckliche Masken aufsetzten,
um die Toten abzuschrecken.
Jedes Kind, das vor Erstellung der PISA-Studie
in die Schule ging, weiß, dass viele Iren in die USA auswanderten.
Und weil sie sonst kaum etwas hatten, nahmen sie wenigstens diesen
Brauch mit.
Da aber die Menschen in der Neuzeit erkennen mussten, dass eine
Schönheitsoperation alleine nicht ausreicht, um schrecklich
auszusehen, nahm sich die US-Industrie der Sache an und begann
Fan-Artikel für Halloween herzustellen. Den Rest kennen wir
von Kaugummi, Hamburgern und Rappern: Irgendwann schwappte die
Welle dann einfach über den großen Teich zu uns.
Wo es
Halloween ja eigentlich immer noch gab. Nur mit dem kleinen Unterschied,
dass angeblich Papst Gregor IV im Jahre 837 verfügt
haben soll, dass zu diesem Datum die Toten geehrt werden. Daraus
entstand Allerheiligen und Allerseelen. Auf diese Weise mussten
die Leute ihre Gewohnheiten nicht grundsätzlich ändern,
die protestantische Kirche nannte das Ganze dann im Mittelalter
noch All Hallowed Evening – ‚aller Heiligen Abend‘ –
und fertig war als Kurzform Halloween.
Weshalb jetzt auch bei uns
Kinder als Terminator, Achse des Bösen
oder sonstiges Ungeheuer verkleidet von Haus zu Haus ziehen und
zum bisweilen großen Unverständnis von Alteingesessenen „trick
or treat“ rufen, wenn sich die Tür öffnet. Wenn
man Glück hat, sind sie schon wieder verschwunden, bevor man
noch im Englisch-Lexikon nachgesehen hat, was das heißt.
Andernfalls muss man sich entweder für die Herausgabe von
Süßigkeiten entscheiden oder das Risiko in Kauf nehmen,
einen bösen Streich gespielt zu bekommen.
Doch in diesem Jahr
dürften die kleinen Monster eine böse Überraschung
erleben. Nach dem, was in jüngster Zeit an Horrormeldungen
auf uns eingestürmt ist, sind die Menschen wohl schon so abgestumpft,
dass sie die Maske eines Untoten oder sonstigen Horrorwesens wohl
kaum noch in Angst und Schrecken versetzen wird. Zu Halloween könnten
also in diesem Jahr auch Kinder ein Opfer der Politik werden. pebe