Ausgabe 11/2018| 29. November 2018
Weihnachtsbäckerei
Jetzt ist es wieder so weit. Viele Menschen und insbesondere Frauen laufen mit sorgenvollen Mienen durch Supermärkte, grübelnd stehen sie vor den einladend ausladenden Theken der Bäckereien. Man sieht förmlich, wie sie hin und her gerissen sind, dass es um eine Entscheidung von epochaler Bedeutung geht.
Selbst backen oder kaufen? So lautet derzeit die Frage aller Fragen. Abgesehen von den eher alltäglichen Rätseln wie: Liebt sie/er mich noch? Bin ich zu dick? Der kleine Unterschied ist nämlich, dass von der Beantwortung dieser aktuellen Frage aller Fragen der himmlische respektive der irdische Frieden abhängen kann. Und das an einem Tag, der mit Attributen wie „Fest der Liebe“ oder „schönster Tag des Jahres“ geradezu überfrachtet ist. Da lastet also viel Verantwortung auf den Schultern.
Natürlich ist es sehr verführerisch, bei Weihnachtsplätzchen auf das reichhaltige Angebot von Supermärkten zurückzugreifen, weil man – respektive zumeist Frau – sich viel Arbeit sparen kann und außerdem basierend auf dem Haltbarkeitsdatum ja auch gleich Vorräte für Folgejahre angelegt werden können. Wer sich jedoch den Duft aus der Kindheit in Erinnerung ruft, der in die Nase stieg, wenn die Mutter das Backblech in den Ofen geschoben hatte, der hat nicht nur die Bauchschmerzen von damals vergessen, weil man natürlich wie jedes Jahr zu viel Teig genascht hatte. Für den ist auch schon die Entscheidung gefallen.
Also werden kiloweise Zutaten für all die Platzerl, Leckerl oder Weihnachtsguatl gekauft, Stunden am Computer verbracht, um ein Rezept zu finden, das angeblich noch von der Großmutter stammte, aber beim Frühjahrs-Ramadama vor drei Jahren irgendwie verloren ging. Bis man dann irgendwann resignierend doch die selben Weihnachtsplatzerl wie all die anderen Jahre bäckt.
Es sei denn man hat gerade eine nostalgische Phase und sich ein richtiges Buch gekauft, das Platzerl wie zu Urgroßmutters Zeiten verspricht. Wo man dann zum Beispiel einen „braunen“ Marzipan findet, weil damals die meisten Leute nicht das Geld für echten Marzipan hatten und Mandeln selten und teuer waren.
Dass zu dieser Zeit auch schon „Damenküsschen“ aufs Backblech kamen, das darf allerdings getrost bezweifelt werden, die müssen wohl eher auf die wilden Zwanzigerjahre des vorigen Jahrhunderts datiert werden. Sind aber, wie so viele angenehme Dinge des Lebens, relativ einfach herzustellen: Ein bisschen Butter und Zucker, Ei, Vanille-Mark, Mehl und Haselnüsse, und damit die Hälfte eine etwas herbere Note bekommt, auch noch Kakaopulver.
Man kann sich sehr gut vorstellen, dass sich mit diesen Platzerln sicher ein Weihnachtsmann finden lässt. Und wem das alles zu viel Romantik ist, dem seien Schmalznüsse empfohlen. Klingt deftig – und ist es auch. Weil da wirklich Schweineschmalz in den Teig kommt. Sollen aber trotzdem weihnachtlich schmecken, obwohl das Rezept angeblich aus dem hohen Norden kommt. Und weil ja manchmal ein lieber Mensch anruft, wenn in der Küche die „Weihnachtsbäckerei“ aus dem Lautsprecher tönt, kann ein Blech mit Vanillekipferl auch mal sehr dunkel ausfallen.
Wer dann doch was vom Bäcker mitgenommen hat, feiert trotzdem „Fröhliche Weihnachten“.
pebe