Persil-Schein

Wer ein Papiertaschentuch braucht, der fragt nach einem „Tempo“. Will sie oder er eine eher etwas klebrig-süße braune Masse auf’s Brot streichen, kaufen sie sich natürlich „Nutella“. Und möchte man zur Feier des Tages mal eine ebenfalls bräunliche aber angeblich inzwischen zumeist fast kalorienfreie Brause trinken, bestellt man sich eine „Cola“.

Es gibt einige Markenbezeichnungen, die es geschafft haben, in den täglichen Sprachgebrauch aufzusteigen, Synonym für eine ganze Produktpalette respektive einen Gebrauchsgegenstand zu werden. Und eine hat sogar die höheren Weihen bekommen und wird in seiner leicht ergänzten Form im Standardwerk der deutschen Sprache, dem Duden, auch in seinen geschichtlichen Zusammenhang gestellt.

Der berühmt-berüchtigte „Persil-Schein“, natürlich hervorgegangen aus dem gleichnamigen Waschmittel und auch in späteren Zeiten immer wieder mal gerne von Politikern in Anspruch genommen, bezog sich nämlich einst auf die Bescheinigungen der Entnazifizierungsbehörden. Was mit ein Grund dafür sein könnte, dass der Begriff etwas in Vergessenheit geraten ist.

Wohingegen die meisten Menschen auch heute noch „Rama“ sagen, wenn sie Margarine meinen, der „Nescafé“ immer noch für alle Arten von löslichem Kaffee gebräuchlich ist und immerhin auch die Aufnahme in den Duden geschafft hat. Und eigentlich sollte man meinen, dass es für einen Hersteller nichts besseres gibt, als mit einem Markennamen für eine ganze Produktpalette zu stehen.

Aber allem Anschein nach hat sich da etwas verändert. Denn seit uns Hersteller glauben lassen, dass es unseren sozialen Status verändern kann, wenn wir nicht irgendeine Margarine und schon gleich gar nicht einfach nur „Rama“ kaufen, sondern zum Beispiel ein Produkt, das zumindest laut TV-Spots am liebsten von Frauen nackt am Wasser verzehrt wird, ist es wichtiger, dass der Name nur für dieses eine, glückliche machende Produkt steht.

Weshalb beispielsweise auch Träger von Turnschuhen sehr fein unterscheiden, ob nun drei Streifen auf ihren Latschen sind oder ein geschwungenes, sichelartiges Emblem. Und es sie erstaunlicherweise auch gar nicht stört, dass beide Marken ja von derselben Firma stammen.

Es nützt also gar nichts mehr, wenn man heutzutage mit einem Markennamen im Duden steht. Was viel mehr zählt, das ist die Unverwechselbarkeit. Auch wenn der Unterschied vielleicht nur aus einem aufgedruckten Logo besteht. Weshalb sich die Leute von „Tempo“ so langsam lieber mal eine Kampagne überlegen sollten, wie sie ihren Produktnamen aus dem markttechnisch tiefen Tal des allgemeinen Gebrauchs heraus holen und als unverwechselbaren Gipfel aller Papiertaschentücher verkaufen können.

Mein Vorschlag wäre, dass sie Männern weismachen, dass alle zwanzigjährigen Blondinen es lieben, wenn sich Männer mit ihrem Tuch schnäuzen. Und für die Frauen können sie ja behaupten, dass der Gebrauch ihres Papiertaschentuchs jünger macht.

Und das wichtigste wäre natürlich ein neuer Name. Wie wär’s mit „Faster“? Das wäre auf jeden Fall noch dynamischer als „Tempo“. Und sicher auch vielversprechender für den weltweiten Verkauf.

pebe