Es ist ein etwas zwiespältiges Thema. Einerseits
hat es einfach was Vertrautes, wenn die Menschen, mit denen man
zu tun hat, nicht
so sehr anders sind als man selber. Also beispielsweise auch das
Gebirge lieben, den Garten und das Auto pflegen, Mitglied in mindestens
zwei Vereinen sind, eine Familie mit Frau oder Gatte und zwei Kindern
haben und nicht sehr viel öfter als zwei mal pro Jahr in Urlaub
fahren, um sich von ihrer regelmäßigen, auf einem festen
Arbeitsverhältnis beruhenden Tätigkeit zu erholen.
Kleine
Abweichungen toleriert man da gerne, also Unternehmer sind in dieser
Riege natürlich auch willkommen und selbstverständlich
gutsituierte Rentner. Schließlich will man ja unsere älteren
Mitbürger nicht ausgrenzen.
Gleichzeitig gibt es Menschen,
die von dieser Norm gravierend abweichen. Nicht genug, hegen viele „Normalos“ eine
mehr oder minder heimliche Bewunderung für sie, für diese
Paradiesvögel
unter den weit verbreiteten, aber weit weniger bunten Columbidae,
den Tauben.
In der deutschen Sprache wird für sie auch gerne
der Begriff „Persönlichkeit“ verwendet,
ein Wort, das der Duden, die ultimative Entscheidungshilfe in allen
semantischen Angelegenheiten unter anderem wie folgt definiert: „Mensch
mit ausgeprägter individueller Eigenart.“
Es ist hier
also von Leuten die Rede, wie es sie in jeder Stadt und an fast
jedem Ort gibt. Und spätestens hier ist die beste
Gelegenheit zu sagen: glücklicherweise! Denn solche Menschen,
so beunruhigend auch manchmal ihr Auftreten für den normal
Sterblichen sein kann, verleihen auch einer Vilsgemeinde durchaus
Farbe, würzen die ständig wiederkehrende Einheitskost,
die wir Alltag nennen.
Ob es nun jemand ist, der die Sache wörtlich
nimmt und sein Haar in grellen Tönen färbt, oder jemand,
der sich Lippen oder weiter unten gelegene Körperteile mit
kleinen Schmuckstücken
verzieren lässt, entscheidend ist dabei nicht, ob und welcher
modische Trend Anwendung findet. Vielmehr ist von Bedeutung, dass
solche äußerlichen Insignien mit allem anderen korrespondieren,
was diese Persönlichkeit ausmacht.
Dass sie also nicht nur
fantasievolle Hüte trägt, sondern
sich auch mit ebensoviel Kreativität einer Sache widmet, die
einen wesentlichen Teil ihres Lebens ausmacht. Dass sie vielleicht
kompromisslos und auch mutig einen Weg verfolgt, von dem sie nur
weiß, dass sie ihn unbedingt einschlagen wollte. Oder ein
Projekt ins Leben ruft, herkömmliche Vorstellungen einfach
mal beiseite lässt und es unbeirrt von den zurückhaltenden
Erfolgs-Prognosen anderer angeht.
Um eine Persönlichkeit zu
sein oder zu werden ist man allerdings nicht darauf angewiesen,
alle Brücken zu sonst üblichen
Lebensgestaltungen abzubrechen. Es genügt, etwas anderes und
manches anders zu tun als andere. Aber nicht, um anders zu erscheinen.
Eine Persönlichkeit entwickelt sich erst, wenn jemand anders
ist. Dazu gehört immer auch ein bisschen Mut, Fantasie ist
wichtig – und die Erkenntnis, dass das Leben nicht bunt ist. Für
Farbe muss man selber sorgen. pebe