Sommernachbarn

Ist das nicht herrlich? Endlich haben wir wieder die
Temperaturen und den Sonnenschein, um einen großen Teil oder
vielleicht sogar unsere ganze freie Zeit im Freien zu verbringen.
Geradezu
ausgehungert sind Mann und Frau und Kinder sowieso, alles drängt
jetzt nach draußen. In die Biergärten und andere Lokale,
wo die Stühle und Tische unter freiem Himmel stehen. In
den eigenen Garten, ins Freibad oder unter die schattigen Bäume
im Wald oder in einem Schloss-Park.

Die ganzen Probleme sind in
solchen Momenten vergessen. Wer könnte
auch an das kollabierende Gesundheitssystem denken, wenn auf dem
Grill die Würstchen brutzeln? Wer grübelt über Steuererhöhungen
nach, wenn ein kühles Bier im Krug schäumt, die Kinderlein
munter im Becken herumplanschen und die beste aller Ehefrauen gerade
den leckeren Kartoffelsalat auf den Tisch unterm Sonnenschirm stellt.
Es könnte das Paradies sein.

Wenn es nicht mindestens einen
Nachbarn gäbe, meistens aber
zwei und mehr. Die auch im Garten sitzen, auch Kinder haben, auch
Schweinswürstel grillen, vielleicht sogar Besuch haben, der
inzwischen schon das dritte kühle Bier im Krug schäumen
ließ. Und fröhlich sind.

Nein, wenn man es genau nimmt,
sind sie nicht fröhlich, sie
sind laut. Reden und lachen zu laut, manchmal denken sie sogar
zu laut. Dass man mitunter das eigene Wort nicht versteht, weshalb
man auch lauter lachen, reden und denken muss.

Und dann der Geruch.
Da hat man extra sündteuren Holzkohleanzünder
gekauft, geruchsfrei und lebensmittelecht. Das bisschen Rauch ist
da total ungefährlich. Aber der Nachbar. Von dem ziehen jetzt
schon seit Stunden widerlich stinkende Rauchschwaden herüber,
dass man sich fragt, ob er gerade aus Holz Holzkohle macht, anstatt
seine Würstel in der Mikrowelle zu rösten.

Und da gibt
es nur noch eines, was man tun kann: In Urlaub fahren. Irgendwo
in den Süden, wo es noch etwas wärmer ist als
hierzulande. Wo bis spät in die Nacht in den Straßen
das Leben so sehr pulsiert, dass man nicht schlafen kann, und das
südländische Temperament der Einheimischen so ansteckend
ist, dass man sich nicht scheut, in den früheren Morgenstunden
und insbesondere nach einem ausgiebigen Besuch in einer Trattoria
oder Bar selbst ein Liedchen anzustimmen.
Im Urlaub, da braucht‘s noch nicht einmal eine quicklebendige
Stadt, um sich mal so richtig des Lebens erfreuen zu können.
Das geht auch an einem Strand und insbesondere auf einer Insel,
von der viele gar nicht mehr wissen, dass sie zu Spanien gehört.
Da haben alle ihren Spaß – bis der Sangria aus dem Gesicht
fällt.

Ja, eigentlich könnte es so schön sein auf
Erden bei diesem herrlichen Sommerwetter – und das sogar zu Hause.
Wenn da
nur nicht die Anderen immer so rücksichtslos wären. Ein
bisschen Rücksichtnahme, das ist ja wohl nicht zuviel verlangt,
besonders wenn alle Menschen ins Freie drängen. Dass sich
der Nachbar gerade jetzt in seinen Liegestuhl legt, wo ich meinen
Rasen mähen will, das ist ja wirklich nicht meine Schuld …
      pebe